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Pariser Staatskünstler

Es war natürlich Künstlerpech, dass die Ratingagentur Fitch nur wenige Stunden nach dem Erscheinen des Romans „Fugue américaine“ – „Die amerikanische Fuge“– des Finanzministers Bruno Le Maire die Kreditwürdigkeit Frankreichs herabgestuft hat.

Es steht gewiss in keinem kausalen Zusammenhang mit dem literarischen Wert des Buchs. Und doch fragen die französischen Steuerzahler, ob Le Maire im Brotberuf Minister und im Nebenerwerb Schriftsteller ist oder umgekehrt – und wie er die Zeit fand, neben all den Krisen einen Roman fertigzustellen.

Doch es ist ja so: In Frankreich verstehen sich die Staatsmänner seit jeher als Hommes de Lettres – und Frauen selbstredend als Femmes de Lettres. Das führte auch Staatssekretärin Marlène Schiappa vor, die unlängst als Cover-Model des „Playboy“, zur Nationalfigur Marianne stilisiert, Furore gemacht hat. Unter dem Pseudonym Marie Minelli verfasste sie nebenbei erotische Literatur.

Eine Sexszene in der „Fuge“ sorgt nun für ein wenig Erregung in den Pariser Salons. In „Der Minister“ hat Bruno Le Maire seine Erfahrungen bereits verarbeitet, und Houellebecq porträtierte seinen Bon Ami Le Maire als Präsidentschaftskandidaten. Nun wartet die Nation auf einen Schlüssellochroman des Schöngeists Emmanuel Macron aus dem Élysée – aber erst nach seinem Abgang. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2023)

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