Leitartikel

Die teure Rechnung für Jahre in falscher Sicherheit

Pressekonferenz der EZB Europaeische Zentralbank mit Christine Lagarde
Pressekonferenz der EZB Europaeische Zentralbank mit Christine Lagarde (c) IMAGO/Political-Moments (IMAGO)
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Politik und Notenbanken hatten die Märkte jahrelang in Sicherheit gewiegt. Nun sind diese nicht mehr auf eine straffe Geldpolitik eingestellt.

Derzeit ist nicht der beste Zeitpunkt, um Immobilien zu verkaufen. Die Investorennachfrage nach Grund und Boden ist angesichts der steigenden Zinsen gesunken. Der deutsche Immobilienkonzern Vonovia musste dennoch Immobilienpakete leicht unter Buchwert abstoßen, da er Geld benötigt. Der Aktienkurs des zuvor erfolgsverwöhnten deutschen Unternehmens ist seit Anfang des Vorjahrs um fast zwei Drittel abgestürzt und nun wieder dort, wo er vor zehn Jahren gestanden ist, bevor das Unternehmen einen exorbitanten Wachstumskurs gefahren ist und u. a. die österreichischen Firmen Buwog und Conwert geschluckt hat.

Hätte die Vonovia nicht damit rechnen müssen, dass die Zinsen irgendwann steigen würden? Im Nachhinein weiß man es besser. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte aber jahrelang alles getan, um die Märkte glauben zu lassen, dass es nie wieder hohe Zinsen geben würde. Von 2016 bis Mitte 2022 lag der Leitzins auf einem absoluten Krisenniveau bei null Prozent. Da sich die Inflation trotzdem im Zaum hielt, dachten viele Marktteilnehmer, das werde ewig so weitergehen. Ende 2021 kehrte die Teuerung dann doch zurück, bestärkt durch coronabedingte Lieferschwierigkeiten und den Krieg in der Ukraine.

Während die US-Notenbank Fed sofort reagierte, ließ sich die EZB zunächst Zeit und begann erst im Juli 2022 mit dem Anheben der Zinsen. Doch dann legte auch sie ein Tempo hin, das Kreditnehmer, Unternehmen und Märkte kalt erwischte. Die letzte Leitzinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte auf 3,75 Prozent setzte die EZB am Donnerstag. Zugleich betonte man, sicherstellen zu wollen, dass die Inflation mittelfristig zum Zielwert von zwei Prozent zurückkehren würde. Im April lag sie bei sieben Prozent. Der Zinsschritt war allerdings kleiner, als viele erwartet hatten.

Die EZB hinkt der Fed bei der Geldpolitik meist ein paar Monate hinterher – das dürfte diesmal nicht anders sein. In den USA scheint nach der jüngsten Erhöhung auf 5,25 Prozent am Mittwochabend vorerst Schluss sein. „Ich denke, die Geldpolitik ist straff“ – eine so taubenhafte Aussage hat man von Fed-Chef Jerome Powell schon lang nicht mehr gehört. Zwar hat man das Inflationsproblem auch in den USA noch nicht im Griff, es krachen aber reihenweise kleine Banken, die mit der steilen Zinserhöhung der vergangenen Monate nicht umgehen können.

Nach den Pleiten der Silvergate Bank, der Silicon Valley Bank, der Signature Bank und der First Republic wackelt mit der PacWest Bancorp das nächste Geldinstitut. Die Banken haben – von jahrelangen Niedrigzinsen verwöhnt – nicht mehr mit einer so straffen Geldpolitik gerechnet und waren vielfach zu hohe Risiken eingegangen, die nun schlagend wurden.

Das sind natürlich Managementfehler der einzelnen Geldinstitute, die Geldpolitik ist aber nicht unschuldig: Wären die Banken gewöhnt, dass Zinsen mitunter auch schon angehoben werden, bevor der Inflationsdruck völlig eskaliert, hätten sie vielleicht vorsichtiger investiert und nicht zu stark auf langlaufende Anleihen gesetzt, die bei Zinserhöhungen besonders leiden.

Dass US-Notenbank-Chef Powell nun betont, das US-Bankensystem sei „robust und widerstandsfähig“, ist eher Wasser auf die Mühlen derer, die vom Gegenteil überzeugt sind. Die Banken mögen besser aufgestellt sein als vor der Finanzkrise 2008, was harte Zahlen wie die Eigenkapitalquote betrifft. Das hilft aber wenig, wenn Panik hochkocht und die Anleger ihr Geld abheben wollen. Es wächst die Sorge, dass Politik und Notenbanken doch nicht alles im Griff haben, geschweige denn vorhersehen.

Denn die Fed hat die jüngsten Bankenpleiten nicht kommen sehen. Nun scheint sie zu hoffen, dass sich die beiden Probleme – Inflation und Bankenturbulenzen – gegenseitig aufheben. Die Banken könnten nun selbst die Kreditbedingungen verschärfen, und das würde wie eine zusätzliche Zinserhöhung wirken. Vielleicht geht die Taktik wirklich auf, und die Inflation verschwindet wieder, ohne dass die Wirtschaft allzu stark belastet wird.
Das wäre dann aber mehr Glück als Ergebnis einer durchdachten Strategie.

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