Morgenglosse

So bekämpft man Fluchtursachen

Wer Asylverfahren in Drittstaaten will, muss die Umsiedlung von Flüchtlingen aus UN-geführten Lagern befürworten. Österreich tut das kaum - und macht sich damit in der Migrationsdebatte unglaubwürdig.

Zahlen sind unbestechlich. 112.272 Asylanträge gab es laut der Statistik des Innenministeriums im vorigen Jahr in Österreich. Heuer waren es allein im März 3217. In absoluten Zahlen waren es voriges Jahr in der EU nur in den großen Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich und Spanien mehr Anträge. Und pro Kopf lag die Republik auf Platz 2. Es gibt keinen Zweifel: die irreguläre Migration belastet Österreich und damit auch sein Asylsystem viel stärker als die meisten anderen EU-Staaten.

Vor allem aber ist sie für die Migranten, ungeachtet ihres Anspruchs auf Schutz, gefährlich und teuer. Eine lukrative Verbrechenskultur von Schlepperorganisationen profitiert vom ungebrochenen Reiz Europas als Ort für ein besseres Leben. Paradoxerweise treibt jeder neue Grenzzaun, so sinnvoll er auch sein mag, die Kosten und somit die Gewinne der Menschenschmuggler nach oben.

Wenn man von der FPÖ absieht, die sich nun in Hirngespinsten von einer „Null-Zuwanderung“ verirrt, können sich alle politischen Parteien in der Asylpolitik zumindest darauf einigen, dass erstens tatsächlich Verfolgte in Österreich ein Recht auf Schutz haben, und dass man zweitens generell Fluchtursachen an der Quelle bekämpfen sollte. Eine dieser Fluchtursachen liegt derzeit darin, dass man, wenn man einem Krieg oder Verfolgung in seiner Heimat entkommen will, ohne die Dienste der Schlepper kaum nach Europa kommt. Das gilt auch für jene Flüchtlinge, die in UNO-Lagern sitzen, und deren Status als Asylberechtigte dort geprüft und bejaht wurde.

Im Rahmen des Resettlementsverfahrens könnte die EU diese Menschen in weit größeren Mengen als bisher aufnehmen. Denn die derzeitigen Zahlen sind mager. Gerade einmal 16.700 solcher Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, aber auch nicht dauerhaft in den UNO-Lagern in Drittstaaten bleiben können, haben die Mitgliedstaaten im Vorjahr gemeinsam aufgenommen. Österreich übernahm sage und schreibe fünf.

Wer die Außengrenzen der EU stärken und den Missbrauch des Asylrechts bekämpfen will, muss im selben Atemzug derartige legale, regulierte und vor allem sichere Wege für die jene schaffen, die tatsächlich geflüchtet sind. Das Resettlement ist ein Mittel dazu. Statt sich der Schimäre der Auslagerung von Asylverfahren an Ruanda (wovon mittlerweile sogar die dänische Regierung Abstand genommen hat) zu ergehen, sollte die Bundesregierung mehr Flüchtlinge aus UNO-Lagern aufnehmen.

Angesichts des weiterhin hohen Zustroms an irregulären Migranten würden ein paar Hundert solcher geprüfter Flüchtlinge keine wesentliche weitere Belastung erzeugen. Sie wären aber ein wertvolles politisches Faustpfand, mit dem der Bundeskanzler vor der Europawahl nächstes Jahr in die finalen Verhandlungen um die Reform des Asyl- und Migrationswesens der Union gehen könnte.

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