Analyse

Söldner-Chef Prigoschin setzt Russlands Militärführung das Messer an

RUSSIA-UKRAINE-CONFLICT-WAGNER-BAKHMUT
Wagner-Chef Prigoschin ist sauer auf das Militär und droht den Abzug seiner Söldner vor Bachmut für den 10. Mai an.APA/AFP/TELEGRAM/@concordgroup_o
  • Drucken

Der Dauerstreit zwischen Jewgeni Prigoschins „Wagner"-Söldnerheer 
und der Militärführung eskaliert: Nun will er seine Einheiten am 10. Mai aus der seit vorigen Sommer umkämpften Stadt Bachmut abziehen. Zieht er das durch, dürfte die russische Front dort schnell bröckeln. Und vielleicht geschieht noch mehr.

Da steht er also auf einem Feld, der glatzköpfige Mann, es ist Nacht und rund um ihn liegen Leichen. Sie sind schwer zu zählen, es sind wohl zwei Dutzend Mann, vielleicht liegen noch mehr im Dunkel, und sie sind - waren - seine Angestellten, seine Söldner.

In jenem Video, das in der Nacht auf heute im Internet auftauchte, richtet Jewgeni Prigoschin, der Führer der berüchtigten Söldnerarmee Wagner, also eine wüste, hasserfüllte Schimpftirade gegen die russische Militärführung. Die Männer, die man hier liegen sehe, seien an nur einem Tag gefallen, ihr Blut sei noch warm. Schuld daran seien die „Bastarde“, „Arschlöcher" und wie auch immer man seine Fluchwörter noch übersetzen kann, die seinen Kämpfern nicht genug Munition liefern würden, nur 30 Prozent der benötigten Menge.

Diese Typen würden deswegen noch ihre Eingeweide in der Hölle fressen, und diese „sie" benennt Prigoschin auch: „Schoigu! Gerassimow!“ - also den Verteidigungsminister sowie den Generalstabschef, der vor einiger Zeit direkt die Führung über den Ukraine-Feldzug übernommen hat.

„Schaut sie euch an, ihr Arschlöcher!"

„Wo zum Teufel bleibt die Munition? Schaut sie euch an, ihr Arschlöcher! (zeigt auf die Toten). Ihr Bastarde hockt in teuren Klubs, eure Kinder genießen das Leben, machen You-Tube-Filme. Ihr denkt, ihr wäret die Herren über das Leben, und dass ihr über das Leben von denen auch bestimmen könnt. Gebt uns endlich die normale Munitionsausstattung, dann würden dort nur ein Fünftel der Leichen liegen (...)."

Wenig später wurde dann ein offener Brief von Prigoschin an die Militärspitze in Moskau bekannt. Demnach sei von Wagner erwartet worden, die seit dem Vorjahr umkämpfte Donbass-Stadt Bachmut bis zum 9. Mai einzunehmen, dem Gedenktag des Sieges über Deutschland im Zweiten Weltkrieg. Doch seit dem 1. Mai hätten „paramilitärische Bürokraten“ die Munitionslieferungen an seine Truppen großteils eingestellt. Die flankierenden Kräfte der regulären Armee seien viel schwächer als behauptet und hätten große Probleme, ihre Positionen zu halten.

Wagner sei schon seit Anfang April stark geschwächt und greife dennoch gegen eine ukrainische Überlegenheit von 5:1 an, steht in dem Brief, obwohl man als Angreifer eigentlich dreifach überlegen sein sollte. Die Verluste seien nicht mehr zu stemmen, nähmen täglich exponentiell zu. Daher habe der Wagner-Kriegsrat beschlossen, die Offensive bei Bachmut noch bis 10. Mai fortzusetzen. An jenem Tag werde man abziehen und die Stellungen dort den regulären Kräften übergeben. Man werde sich in Basen im Hinterland zurückziehen und „die Wunden lecken“. Wegen des Munitionsmangels seien weitere Kämpfe dort sinnlos. Zudem ist die Rede davon, dass der Munitionsmangel bereits 90 Prozent ausmache.

RUSSIA-UKRAINE-CONFLICT-WAGNER
Wagner-Chef Prigoschin zeigt in der Dunkelheit auf wohl zwei Dutzend Leichen seiner Wagner-Armee.APA/AFP/TELEGRAM/@concordgroup_o

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.