Das Treffen der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT begann pünktlich, auf einem Zettel wurden die Mitglieder um Mülltrennung gebeten.
Es gibt wohl nur ein europäisches Land, in dem der Anarchismus zu den führenden politischen Kräften gehört hat: das Spanien der Dreißigerjahre. Als die kleine anarchosyndikalistische Gewerkschaft CNT am 1. Mai das Comicheft „1937. Die Mai-Ereignisse“ präsentierte, bot sich mir die Gelegenheit, endlich mal lebende Anarchisten zu schauen.
Ich lief am Montag in Barcelona auch mit dem klassischen Maiaufmarsch mit. Er wurde von den größten spanischen Gewerkschaften CCOO und UGT angeführt, Letztere in „Löhne oder Konflikte“-Leiberl gekleidet, hinten wurde der kompakte Zug von lauten antiamerikanischen Kubanern, Kolumbiern mit Lula-Umhängetuch und tiefrot gestylten Türken abgeschlossen. Auf der Tribüne arbeitete sich ein Routinier am Motto „Löhne erhöhen, Preise senken, Reichtum verteilen“ ab. Da sowohl Barcelona als auch Katalonien als auch Spanien links regiert werden, fehlte ein einigendes Feindbild, wie es Macron in Frankreich abgibt. Nach weniger als anderthalb Stunden reckten sie die Fäuste zur „Internationalen“, und es war vorbei.