Wort der Woche

Waffensysteme

Auch für Waffensysteme werden Unmengen an kritischen Rohstoffen benötigt. Europa wird sich daher auch im militärischen Bereich sehr schwertun, strategisch autonom zu werden.

Abrüstung – das war einmal. Spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wird weltweit die Rüstungsindustrie hochgefahren. Die EU hat erst diese Woche eine Mrd. Euro für die Produktion von Munition bereitgestellt. Selbst das neutrale Österreich will sich an einem gemeinsamen europäischen Einkauf von Granaten beteiligen.

So wie in anderen Sektoren strebt die EU auch im Rüstungsbereich eine strategische Autonomie an. Nun, dabei wird sich Europa sehr schwertun: zum einen, weil sich nur drei der 20 weltgrößten Rüstungskonzerne in Europa befinden (zwei davon in Frankreich); und zum anderen, weil dafür riesige Mengen an Rohstoffen benötigt werden – und hier ist Europa alles andere als autark.

Modernes Kriegsgerät ist Hochtechnologie, die angewiesen ist auf unzählige kritische Rohstoffe, die (derzeit) nur in wenigen Ländern der Erde gefördert werden. Dass diese Abhängigkeit sehr ernst genommen wird, spiegelt sich in der Tatsache wider, dass eine aktuelle Foresight-Studie des Joint Research Centers der EU zum Thema Lieferketten und Materialbedarf (JRC132889) ein eigenes Kapitel über Verteidigung enthält.

In diesem Bericht ist nachzulesen, dass z. B. Lanthan und Tellur für Nachtsichtgeräte benötigt werden, Neodym für Ziellaser, Wolfram für panzerbrechende Munition, Tantal und Niob für Raketen, Beryllium und Titan für Kampfflugzeuge oder Hafnium und Vanadium für U-Boote. Zwei interessante Zahlen: Ein F-35-Kampfjet enthält 415 Kilo Yttrium, Terbium und andere seltene Erden; und in einer Panzerabwehrrakete sind 250 Mikrochips verbaut.

Um die Rohstoffversorgung abzusichern, führt der JRC-Bericht mehrere Möglichkeiten an. Neben dem Ausbau europäischer Bergbauaktivitäten wäre da etwa die Entwicklung von Ersatzmaterialien. Allerdings gilt im Militärbereich der Grundsatz, dass Zuverlässigkeit und Performance über allem stehen – und jedenfalls wichtiger sind als der Einsatz von Materialien der nächsten Generation. Aus demselben Grund würden bei Waffen keine (recycelten) Sekundärrohstoffe eingesetzt, so die EU-Forschenden. Auch Recyclingfähigkeit spielt beim Design von Kriegsgerät keine Rolle.

Überdies hat in der Rüstungsindustrie ein effizienter Ressourceneinsatz keine Priorität: In der Flugzeugproduktion z. B. gehen 90 Prozent des eingesetzten Titans verloren. Es ist also noch ein weiter Weg zu höherer Autonomie.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2023)

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