Glaubensfrage

Papst Franziskus, der Mann der sanften Revolution

Die Erlaubnis für Laien – Frauen inklusive –, an Bischofssynoden teilzunehmen, ganz offiziell, und dort sogar mitzustimmen, ist für Konservative eine Provokation.

Es soll ja einige geben, die enttäuscht sind, enttäuscht von Papst Franziskus. Dabei hatte dieser Jorge Mario Bergoglio so viele Hoffnungen geweckt, als er sich an jenem denkwürdigen Abend des 13. März 2013 auf der Loggia des Petersdoms erstmals der Welt in seinem neuen Amt zeigte.

Enttäuschte beklagen, Franziskus habe den Reformstau nicht aufgelöst, der seit Jahrzehnten in weiten Teilen der Weltkirche als bedrückend empfunden wird. Denn ja, noch immer dürfen katholische Priester nicht verheiratet sein. Außer sie gehören einer mit Rom unierten Kirche wie der griechisch-katholischen an. Oder der anglikanischen Kirche und sind katholisch geworden. Oder der evangelischen Kirche und sind katholisch geworden. So unbarmherzig ist sie dann doch auch wieder nicht, die römisch-katholische Kirche.

Und ja, Frauen stehen während der Eucharistiefeier auch noch immer nicht am Altar, nicht als Diakoninnen, schon gar nicht als Priesterinnen – außer für ein paar kurze Momente als Kommunion-Spenderinnen. Ja, der Papst ist noch immer allmächtig, keiner irdischen Instanz Rechenschaft schuldig. Gewaltenteilung in der katholischen Kirche? Lächerlich! Kirchenverfassung? Ich bitte Sie!

In seiner Allmacht hat Papst Franziskus aber zuletzt scheinbar im Vorbeigehen eine kleine, aber feine Reform verfügt. Die müssen Konservative an der Kurie und anderswo als Provokation empfinden – und als weiteren Beweis dafür, dass der Jesuit auf dem Stuhl Petri ein Abweichler von der behaupteten unumstößlichen reinen Lehre der Kirche ist. In der ahnungslosen und/oder desinteressierten Öffentlichkeit viel zu wenig gewürdigt, hat Franziskus kürzlich ein theoretisch, zu selten noch tatsächlich machtvolles Beratungsgremium des Papstes durcheinandergewürfelt: die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 von Papst Paul VI. (wieder) geschaffene Bischofssynode.

Wenig Wohlmeinende könnten sogar behaupten, sie wurde gesprengt. Denn neben den Herren Bischöfen werden ab sofort auch Laien sitzen – nicht als geduldige Zuhörer oder in beratender Funktion. Sie sind voll stimmberechtigt. Das ist nicht alles. Denn der Papst hat ohne langes Federlesen und ohne große gesetzestechnische Finessen gleichsam mit einem Klick (Federstrich hätte es früher geheißen) verfügt, dass auch Frauen berechtigt sind, mit allen Rechten an dem, was noch immer „Bischofssynode“ genannt wird, teilzunehmen.

Die Metamorphose des Gremiums hat begonnen. Die Metamorphose der Kirche hat schon länger begonnen, geht langsam voran. Wie das evolutionäre Prozesse eben kennzeichnet. Die Kirche hat ihren Frieden mit der Evolution geschlossen.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2023)

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