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Wieso nur lieben so viele Normalbürger die Royals?

Die royalen Geschicke liefern scheinbar unerschöpflichen Stoff für viel Dichtung und wenig Wahrheit.
Die royalen Geschicke liefern scheinbar unerschöpflichen Stoff für viel Dichtung und wenig Wahrheit. Reuters/McKay
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Spurensuche zur Königskrönung: Prinzessinnen oder Prinzen in Märchen stehen vielen einfach näher als etwa eine Verteidigungsministerin oder der Generalsekretär einer Partei.

Einigen meiner Bekannten macht nichts so viel Spaß wie das Schimpfen über Aristokraten. Große Freude bereitet ihnen das Adelsaufhebungs­gesetz vom 3. April 1919, das unter ­­anderem das „von“ vor dem Nachnamen untersagt. (Strafen werden allerdings nie vollstreckt, da sie in Kronen zu zahlen wären.) Mir selbst misslingen aristokratiefeindliche Gefühle. Zwar ist niemand durch Geburt oder „Blut“ etwas Besseres, doch Prinzessinnen oder Prinzen in Märchen stehen mir einfach näher als etwa eine Verteidigungsministerin oder der Generalsekretär einer Partei. Beim Blättern in jenen Hunderttausende Exemplare verkaufenden Zeitschriften zur Demaskierung des Privatlebens von VIPs – etwa im Wartezimmer – gefällt mir die hohe Frequenz von Indiskretionen.

Jedenfalls, solang die betreffenden Promis miese Schunkelhits schreiben, die den Äther verpesten, oder miese Energy-Drinks entwickeln, deren Gebinde die Umwelt belasten. Erst bei Geschichten über „den Prügelprinzen“, „den Pinkelprinzen“, fürstliche Vermählungen oder die durchlauchtige Habsburger-Lippe erfasst mich dann Abscheu.
Mir widerstrebt die Gier, sabbernd durch das Schlüsselloch das Leben von Herrscherhaus-Mitgliedern zu verfolgen, künstlich privilegierter Individuen, die quasi gewerblich ihresgleichen heiraten, Ländereien und Vermögen verwalten, Tiere jagen, gekrönt werden, abdanken, vor Gericht Entschädigungen erfechten, Skandalbestseller verfassen oder auf edlen Rappen ausreiten, ohne dass ihnen jemals eine Drecksmelodie oder ein Kaugummidrink einfallen musste. So substanzlose Stars haben womöglich nicht einmal etwas dezidiert Negatives geleistet!

Ein einziges Mal, ich war in London und ziemlich verkatert, erweckte die TV-Hochzeit irgendeines Prinzen meine Aufmerksamkeit. Ich schrieb gerade die letzte Strophe des Gedichts für einen Band, der den Titel „100.000 verkaufte Exemplare“ tragen sollte: „Am nächsten Tag herrscht Aspirin und alle Kleider stinken / Im Nebenzimmer sitzt ein Unbekannter und frisst deine Jahre / Du denkst, die Royals meinen dich, wenn sie im Fernsehn winken / Du bist so ausverkauft wie 100.000 Exemplare.“

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Alles rund um die Krönung finden Sie hier:

Royal-Ressort der „Presse“ 

("Die Presse Schaufenster" vom 05.05..23)

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