Ex-Familienministerin Karmasin wird vom Vorwurf des schweren Betrugs freigesprochen, aber im Punkt wettbewerbsbeschränkende Absprachen für schuldig befunden. Die „Presse“ berichtete live.
„Ich bin kein Opfer, aber ich habe Fehler gemacht“, sagte Sophie Karmasin bevor sich Richter Patrick Aulebauer samt Schöffinnen und Schöffen zur Beratung zurückzog. Und sie gab ihnen noch mit auf den Weg: „Ich bereue es, dass ich mich habe einspannen lassen.“ Sie habe sich am Ende ihrer Zeit als Familienministerin in „einer Ausnahmesituation“ befunden, sei verzweifelt gewesen. Aber, so beharrte sie, getäuscht habe sie niemanden. Und sie hielt fest: „Bei mir stellt sich nicht die Frage, was war die Leistung, sondern was war der Schaden? Und die Antwort ist: Es gibt keinen Schaden.“
Der Schöffensenat sah dies anders: „Sophie Karmasin ist schuldig", verkündete Aulebauer. Und zwar in Sachen wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Die Ex-Ministerin wird dafür zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt; die Untersuchungshaft werde ihr angerechnet. Vom Vorwurf des schweren Betrugs wird sie freigesprochen. Der Zweitangeklagte G. wird ebenfalls freigesprochen.
Oberstaatsanwalt ortet Habgier
Zuvor hatten die Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Roland Koch sowie Karmasins Verteidiger Norbert Wess und der Anwalt des Zweitangeklagten G., seines Zeichens ein Abteilungseiter aus dem Sportministerium, ihre Schlussplädoyers gehalten. Während erstere „eine spürbare teilbedingte Freiheitsstrafe“ für Sophie Karmasin beantragten sowie eine Kombinationsbuße aus Geld- und Freiheitsstrafe für G., pochte die Verteidigung auf zwei Freisprüche.
„Die Beweismittel zeigen ein eindeutiges Bild und lassen keinen Spielraum für Zweifel“, meinte Oberstaatsanwalt Adamovic. „Karmasin hat konsequent gegen das Gesetz verstoßen.“ Schon lange vor dem Ende ihrer politischen Karriere habe sie Verdienstmöglichkeiten geplant und obwohl ihr unmissverständlich dargelegt worden war, dass sie sechs Monate lang nichts verdienen dürfe, wenn sie eine Entgeltfortzahlung beantrage, habe sie verdient. Das sei ein Fall von Habgier, ergänzte Koch. Denn Karmasin habe sich in keiner wirtschaftlich prekären Situation befunden – im Gegenteil.
Ihre Handlungen habe die Ex-Ministerin überdies „erst beendet, als sie öffentliche Aufdeckung befürchten musste“. Von Reue, Rechtzeitig- oder Freiwilligkeit könne daher keine Rede sein.
Wess vermisst Wettbewerb und sieht Reue
Verteidiger Wess bewertete den Sachverhalt freilich anders: „Ich bin zutiefst überzeugt, dass Frau Doktor Karmasin kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden darf“, führte er aus. Karmasin sei mit dem Wunsch zu ihm gekommen, das erhaltene Geld zurückzubezahlen – und habe dabei sogar zu viel retourniert. Von dem vorgeworfenen schweren Betrug sei daher nichts übrig. Auch der zweite Anklagepunkt sei Wess zufolge nicht erfüllt: Da „alle im Ministerium eingebunden waren“, habe es keine wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen gegeben, schlussfolgerte er. Konkret: Wenn ein Wettbewerb nicht organisiert werde, könne dieser auch nicht beschränkt werden.
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