ÖH-Wahl 2023

ÖH-Wahl: Links der Mitte ist kaum noch Platz

Die Mehrheit der Listen, die für die ÖH-Wahl kandidiert, sind links - wie auch die Koalition, die in der Exekutive meistens regiert.
Die Mehrheit der Listen, die für die ÖH-Wahl kandidiert, sind links - wie auch die Koalition, die in der Exekutive meistens regiert.(c) APA/TOBIAS STEINMAURER (TOBIAS STEINMAURER)
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Ab Dienstag sind 345.000 Studierende aufgerufen, ihre Interessenvertretung zu wählen. Neun Listen treten an – und kämpfen vor allem gegen ihre steigende Bedeutungslosigkeit. Ihr gemeinsames Ziel: die Wahlbeteiligung steigern.

Sie ist die einzige bundesweite Wahl im heurigen Jahr, doch interessiert jene, die wahlberechtigt sind, nur in überschaubarem Ausmaß: Die Beteiligung zur Vertretungswahl der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) hat mit 15,7 Prozent 2021 ihren traurigen Tiefpunkt erreicht.

Das erklärte Ziel aller neun heuer antretenden Fraktionen ist es deshalb, die Wahlbeteiligung wieder deutlich zu heben. Ab Dienstag und bis Donnerstag sind die Studierenden aufgerufen, die ÖH-Exekutive auf Bundesebene, auf Ebene der Hochschule sowie des eigenen Studiengangs zu wählen. Hilfe bei der Suche nach dem Wahllokal gibt es unter oehwahl23.at/wahllokal-finder.

VSStÖ mit Spitzenkandidatin Nina Mathies

Wohnen und soziale Absicherung sind die Schwerpunkte der roten Studierenden, die derzeit mit Gras und FLÖ regieren – ihre Koalition hat 32 der 55 Sitze im Studierendenparlament inne. Auch heuer setzt der VSStÖ auf gewohnt linke Forderungen: Spitzenkandidatin Nina Mathies fordert die Abschaffung aller Studiengebühren und höhere Beihilfen, vor allem für Wohnen, das für viele Studierende existenzgefährdend teuer ist. Dass sie das selbst alles nicht umgesetzt hat, obwohl der VSStÖ seit Jahren in der Exekutive agiert, rechtfertigt sie mit der Politik der Bundesregierung. In der aktuellen SPÖ-Führungsdebatte spricht sich Mathies wie ihre Kollegen von der Sozialistischen Jugend (SJ) für Andreas Babler aus.

Aktuelle Mandatsverteilung im ÖH-Studierendenparlament.
Aktuelle Mandatsverteilung im ÖH-Studierendenparlament.(c) Die Presse/GK

Man müsse „die Realität von Studierenden zeigen“, sagt sie, die sich damit auch für das allgemeinpolitische ÖH-Mandat stark macht. Dieses besagt, dass sich die ÖH auch für Themen einsetzt, die über die Hochschule hinausgehen. Durch den Mitbewerb wird dieses aber stark infrage gestellt. Listen rechts der Mitte (AG, Junos und RFS) fordern die Abschaffung – und einen stärkeren Fokus der ÖH auf Service statt auf ideologische Kämpfe, die laut ihnen dazu geführt haben, dass sich kaum noch jemand für die Wahl interessiere.

Gras mit Spitzenkandidatin Sarah Rossmann

Ein Kampf an vielen Fronten, vor allem gegen die Klimakrise, das „Hetero-Cis-Patriarchat“ und für Safe Spaces für Finta-Personen (Frauen, intergeschlechtliche, nicht binäre, Trans- oder Agender-Personen, Anm.). Dieser bestimmt auch den Wahlkampf der ebenfalls in der ÖH-Exekutive regierenden Grünen & und Alternativen StudentInnen (Gras). Die 21-jährige Spitzenkandidatin heißt dieses Jahr Sarah Rossmann, sie studiert Lehramt an der Uni Graz, wo sie mit der Aktionsgemeinschaft (AG) und den Junos einer „Grapefruit“-Koalition in der Hochschulvertretung vorsitzt.

Inhaltlich setzen Gras wie in der Vergangenheit auf typisch grüne Themen: Die Privilegien weißer Cis-Männer (Männer, die sich als Männer fühlen, Anm.) will Rossmann hinterfragen, mit den „Klimaklebern“ der Letzten Generation zeigt sie „volle Solidarität“, wiewohl sie sich noch nie wo festgeklebt habe, wie sie im Gespräch mit der „Presse“ betont. Sie fordert, dass sich alle Hochschulen verpflichten, bis 2030 klimaneutral zu werden. Obwohl Rossmann auch mit allen anderen sprechen wolle – abgesehen vom freiheitlichen RFS – gilt eine Fortsetzung einer linken Koalition, wie auch immer sie sich zusammensetzt, als wahrscheinlich. Für die ÖVP-nahe

AG mit Spitzenkandidat Muhammed Durmaz

Aktionsgemeinschaft (AG), die von sich selbst stets sagt, parteiunabhängig zu sein, geht es um eine Wiedergutmachung des Debakels von 2021. Die meist stimmenstärkste Fraktion belegte nur Platz drei. Wieder Erster werden will heuer Spitzenkandidat Muhammed Durmaz mit dem Thema Vereinbarkeit von Studium und Beruf. Die Studiengebühren für Berufstätige will er abschaffen, dafür die Zuverdienstgrenze auf 20.000 Euro pro Jahr anheben.

Neben dem 26-jährigen Tiroler kandidiert mit Viktoria Feichtinger eine eigene Kandidatin für die FH. Im Gegensatz zu den linken Fraktionen fordert die AG eine Abkehr vom allgemeinpolitischen Mandat der Bundes-ÖH und für mehr Service für Studierende. Im Hinblick auf eine mögliche Koalition, etwa mit dem VSStÖ, sagt Durmaz, dass man sich freuen würde, „wenn wir mitgestalten dürfen“. Er wolle mit allen, außer mit dem linken und rechten „Rand“ – gemeint sind die beiden KSV und der RFS – über Koalitionen sprechen.

Junos mit Spitzenkandidat Lukas Schobesberger

„Das Studium ist in vielerlei Hinsicht ziemlich gschissen.“ So lautet der unmissverständliche Slogan auf den Wahlkampfplakaten der Junos. Als einzige aller antretenden Listen fordert die studentische Vorfeldorganisation der Neos die Einführung von (nachgelagerten) Studiengebühren. Die einzelnen Hochschulen sollen autonom über die Höhe entscheiden können, maximal sollen es 500 Euro pro Semester sein – als „einzigartiges Finanzierungsmodell“.

Bezahlt werden sollen sie aber erst, „wenn man mit dem Studium fertig ist und genug verdient“, wie Spitzenkandidat Lukas Schobesberger betont. Weitere Schwerpunkt der Pinken sind der Einsatz von künstlicher Intelligenz an den Hochschulen, die flächendeckende Einführung der Hybridlehre und mehr Praxisbezug im Studium. Bei der vergangenen Wahl konnte man ein Mandat hinzugewinnen. Wie die AG schließt auch Schobebesberger „definitiv den links- und rechtsextremen Rand aus“.

FLÖ mit Spitzenkandidat Michael Pinter

Die Unabhängigen Fachschaftslisten Österreichs (FLÖ) kämpfen ebenfalls um den Verbleib in der ÖH-Exekutive, wo sie mit dem roten VSStÖ und den grünen Gras in einer Koalition sitzen. Spitzenkandidat Michael Pinter fordert professionelle Anlaufstellen bei Diskriminierung an den Hochschulen, eine freie Pronomenwahl und Schulungen für das Hochschulpersonal, etwa beim Sprachgebrauch. Studierende sollen generell finanziell mehr unterstützt werden, mehr Mitsprache erhalten und seltener an der Uni anwesend sein müssen.

KSV-Lili mit Spitzenkandidatin Lola Fürst

Irgendwann in den 2000er-Jahren ging man getrennte Wege, im aktuellen Hype um die KPÖ aber stellt sich die Frage einer Annäherung wieder stärker: Der KSV-LiLi gilt als jener von zwei kommunistischen Studierendenverbänden, der zur „Mutterpartei“, der Bundes-KPÖ, ein enges Verhältnis hat. Der KSV-KJÖ hingegen ging auf die Bundespartei auf Distanz und wird, auch im heurigen Wahlkampf, von der KPÖ Graz unterstützt. Prinzipiell gilt der KSV-Lili als pragmatischer – an der Uni Wien sitzt man in der Hochschulvertretung und ist dort Teil einer rot-dunkelroten Koalition mit dem VSStÖ.

„Im Gegensatz zur KJÖ wollen wir die ÖH nicht nur kritisieren, sondern mit einem antiautoritären Zugang gestalten“, sagt Spitzenkandidatin Lola Fürst. Bei der Frage, wie die Teuerung für Studierende entkräftet werden könnte, zieht sie dem Wort „Enteignung“ eine „Vergesellschaftung“ vor – wichtig sei, „dass das, was alle brauchen, wie Wohnen oder Energie, auch gemeinschaftlich organisiert wird“. Koalieren wolle man nur mit anderen linken Fraktionen.

KSV-KJÖ mit Spitzenkandidat Lukas Pflanzer

Im Gegensatz zum KSV-Lili hat die zweite kommunistische Liste weniger Berührungsängste mit dem kommunistischen Schlagwort, große Konzerne im Zweifel zu enteignen. Lukas Pflanzer, Spitzenkandidat für den KSV-KJÖ, will etwa „Krisengewinner“ wie die OMV „enteignen“, um damit staatliche Hilfen zu finanzieren. Er fordert auch einen Mietendeckel sowie die Abschaffung der Studiengebühren und eine Anpassung der Mindeststudienzeit an die Durchschnittsstudienzeit.

Am KSV-Lili kritisiert er, dass es diesem zur darum ginge, „in die Exekutive zu kommen“. Der Streitpunkt KPÖ-Bundespartei aber dürfte sich aktuell aufweichen. Das Verhältnis habe sich zuletzt gebessert, sagt Pflanzer.

RFS mit Spitzenkandidat Peter Leskosek

Einen klaren Kontrapunkt zu der Dominanz an linken Listen setzt der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), der heuer vor allem durch interne Querelen von sich reden machte. In der Vorwoche gipfelten sie mit dem Austritt des ehemaligen Spitzenkandidaten und RFS-ÖH-Mandatars, Matthias Kornek. Der aktuelle Spitzenkandidat Peter Leskosek, selbst Polizist, ist gegen eine Genderpflicht in wissenschaftlichen Arbeiten, der wichtigste Slogan mit „Lieber Frauenrechtler als 72 Geschlechter“ ist dabei recht ungewohnt. Damit will man das einzige Mandat verteidigen.

„Who the f*ck is Herbert?“ mit Spitzenkandidat Julian Gredinger

Die heuer erstmals kandidierende Liste „Who the F*uck is Herbert?“ rund um Spitzenkandidaten Julian Gredinger tritt ebenfalls bundesweit an – und will die ÖH modernisieren. Zu Gredingers Forderungen zählen unter anderen mehr Service via ÖH-App, mehr digitale Lehre und mehr Flexibilität: Er spricht sich, wie die meisten anderen Fraktionen, ebenfalls für Teilzeitstudien und berufsbegleitendes Studieren aus.

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