Nahost-Konflikt

Mindestens 13 Tote bei israelischem Luftangriff auf Gaza-Streifen

Der Zorn im Gaza-Streifen nach den Luftschlägen Israels ist groß. Hier ein Bild von der Beerdigung eines der Opfer der vergangenen Nacht.
Der Zorn im Gaza-Streifen nach den Luftschlägen Israels ist groß. Hier ein Bild von der Beerdigung eines der Opfer der vergangenen Nacht.REUTERS
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Israel führte eine Operation „Schild und Pfeil“ gegen den Islamischen Dschihad durch. Bei den Angriffen starben auch Frauen und Kinder sowie russische Staatsbürger.

Israel hat drei ranghohe Mitglieder der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Jihad im Gazastreifen gezielt getötet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums kamen bei den Luftangriffen in der Nacht auf Dienstag in der Stadt Gaza und in Rafah insgesamt 13 Menschen ums Leben, darunter auch Frauen und Kinder. Rund 20 weitere seien verletzt worden.

Nach Angaben der russischen Vertretung im Westjordanland sind dabei auch russische Staatsbürger getötet worden. Unter den Toten seien ein Zahnarzt mit russischer Staatsbürgerschaft sowie dessen Frau und Sohn, teilte die Vertretung am Dienstag auf Twitter mit. "Zwei Kinder mit russischer Staatsbürgerschaft wurden zu Waisen", hieß es weiter.

Die israelische Armee begründete die Operation "Schild und Pfeil" mit Raketenangriffen aus dem Gazastreifen auf das israelische Grenzgebiet in den vergangenen Wochen. Der massive Angriff kam allerdings überraschend, weil seit knapp einer Woche eine Waffenruhe herrschte. Bei den drei getöteten Jihad-Mitgliedern handle es sich um Khalil Bahitini, einen Kommandant im nördlichen Teil des Gazastreifens, der für die jüngsten Raketenangriffe auf Israel verantwortlich gewesen sei, Jahed Ahnam, Leiter des Militärrats sowie um Tarek Az Aldin, der Anschläge im Westjordanland koordiniert habe. Außerdem seien Waffenfabriken zur Herstellung von Raketen in Khan Yunis sowie weitere Einrichtungen des Jihad angegriffen worden, so die israelische Armee.

Dutzende Raketen flogen vom Gazastreifen nach Israel

In der vergangenen Woche hatten militante Palästinenser im Gazastreifen nach dem Tod eines palästinensischen Häftlings Dutzende Raketen und mehrere Mörsergranaten auf Israel abgefeuert. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Khader Adnan, ranghohes Mitglied des Islamischen Jihad, war nach fast drei Monaten Hungerstreik in israelischer Haft gestorben. Adnan war laut Gefängnisbehörde wegen mutmaßlicher Mitgliedschaft in einer Terrororganisation sowie Unterstützung von Terror und Hetze inhaftiert gewesen.

Der israelische Armeesprecher Richard Hecht sagte während eines Gesprächs mit Journalisten, insgesamt seien 40 Flugzeuge an den Angriffen beteiligt gewesen. Die Armee habe ihre Ziele erreicht. Das Verteidigungsministerium habe das Militär allerdings angewiesen, sich auf die mögliche Mobilisierung von Reservisten vorzubereiten.

„Wir zielten auf die Terroristen ab"

Zu dem Tod von Frauen und Kindern sagte Hecht, man prüfe die Berichte. "Wir zielten auf die Terroristen ab. Falls es einige tragische Todesfälle gab, werden wir das prüfen." Die Angriffe seien seit vergangener Woche geplant gewesen. Zu der Frage möglicher Vergeltungsangriffe aus dem Gazastreifen und vielleicht auch aus den nördlichen Nachbarländern Libanon und Syrien sagte Hecht, man sei "an allen Schauplätzen" bereit. "Wir hoffen, dass dies so schnell wie möglich beendet ist."

Die Zivilbevölkerung im Süden Israels wurde angewiesen, bis Mittwoch in der Nähe eines ausgewiesenen Schutzraums zu bleiben. Die Grenzübergänge zum Gazastreifen wurden nach Medienberichten geschlossen, auch Schulen blieben geschlossen. Der Zugverkehr in die Grenzstadt Sderot wurde in Erwartung möglicher Gegenangriffe gestoppt. Die israelische Nachrichtenseite ynet berichtete, Israel habe der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas die Botschaft übermittelt, sie sei "nicht im Visier".

Islamischer Jihad bestätigt Tod von drei Kommandanten

Ein Hamas-Sprecher sagte nach den Luftangriffen Israels, das palästinensische Volk wisse, wie es auf das "Verbrechen" der gezielten Tötung der Jihad-Mitglieder zu reagieren und "die Besatzungsmacht anzugreifen" habe. Der Islamische Jihad, die zweitstärkste bewaffnete Gruppe in dem von der Hamas kontrollierten Gazastreifen, bestätigte den Tod dreier seiner Kommandanten. "Wir werden unsere Positionen nicht aufgeben und der Widerstand wird weitergehen, so Gott will", sagte ein Sprecher. Israel habe "alle Initiativen der Vermittler ignoriert". Das Bombardement werde mit Bombardement beantwortet, der Angriff mit einem Angriff. "Dieses Verbrechen wird nicht ungesühnt bleiben."

Israel hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Jihad-Anführer im Gazastreifen gezielt getötet. Im August vergangenen Jahres kam etwa Militärchef Khalid Mansour bei einem Luftangriff Israels ums Leben. Dabei wurden zwei weitere Jihad-Mitglieder getötet, darunter auch Mansours Stellvertreter. Damals kam es zu massiven Raketenangriffen aus dem Palästinensergebiet und weiteren israelischen Luftangriffen. Nach drei Tagen trat dann eine von Ägypten vermittelte Waffenruhe in Kraft.

Im Gazastreifen leben etwa zwei Millionen Menschen unter sehr schlechten Bedingungen. Die Hamas hatte dort 2007 gewaltsam die Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

Islamischer Jihad will sich nicht an Regierung beteiligen

Die Hamas und der Islamische Jihad werden von den USA, der EU und Israel als Terrororganisationen eingestuft. Beide Gruppierungen haben sich die Zerstörung Israels auf die Fahne geschrieben. Der Islamische Jihad gilt allerdings als noch radikaler als die Hamas. Nach Angaben des "CIA World Factbook" wird die Anzahl der Jihad-Kämpfer auf zwischen 1000 und mehreren Tausend geschätzt. Die Hamas gilt als militärisch deutlich stärker, die Zahl der Kämpfer wird den Angaben zufolge auf 25.000 geschätzt. Anders als die Hamas hat der Islamische Jihad kein Interesse an einer Regierungsbeteiligung, sondern konzentriert sich auf den bewaffneten Widerstand gegen Israel.

Bei einem israelischen Militäreinsatz in Nablus im Westjordanland sind palästinensischen Angaben zufolge rund ein Dutzend Palästinenser durch Schüsse verletzt worden. Darunter sei auch ein 14-Jähriger, teilte das palästinensische Gesundheitsministerium am Dienstag in Ramallah mit. Er sei mit einer Schussverletzung in der Brust ins Krankenhaus gekommen. Sein Zustand sei stabil. Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdiensts Roter Halbmond wurden 12 Palästinenser durch Schüsse oder Gummigeschosse getroffen. Zudem seien rund 75 Menschen durch Tränengas verletzt worden.

Nach Angaben des israelischen Militärs wurden während des Einsatzes in Nablus zwei Terrorverdächtige festgenommen. Dabei sei es zu Konfrontationen mit Palästinensern gekommen. Demnach wurden Steine auf Soldaten geworfen sowie in Richtung der Einsatzkräfte geschossen. Diese hätten "mit Mitteln zur Auflösung der Unruhen und mit scharfer Munition reagiert", hieß es von der Armee. Nablus gilt als eine Hochburg militanter Palästinenser. Am Donnerstag wurden dort bei einem Militäreinsatz drei Mitglieder islamistischen Palästinenserorganisation Hamas getötet. Sie sollen einen tödlichen Anschlag auf drei israelische Frauen im vergangenen Monat verübt haben.

Die Sicherheitslage in Israel und dem Westjordanland ist seit langem extrem angespannt. Seit Beginn des Jahres wurden dort 105 Palästinenser bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder nach eigenen Anschlägen getötet. Im gleichen Zeitraum kamen 17 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener bei Anschlägen ums Leben.

(APA/dpa/Reuters)

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