Rede am "Tag des Sieges"

Putins Täter-Opfer-Umkehr: "Gegen unser Vaterland wurde ein echter Krieg entfesselt"

Wladimir Putin präsentierte in Moskau einmal mehr sein Weltbild mit dem Feindbild des Westens.
Wladimir Putin präsentierte in Moskau einmal mehr sein Weltbild mit dem Feindbild des Westens.via REUTERS
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Vor Tausenden Soldaten, mit etlichen Gästen aus befreundeten Ländern, hielt Putin eine bemerkenswerte Rede. Der Einmarsch in der Ukraine ist für ihn eine „spezielle Militäroperation“. Doch gegen Russland sei hingegen ein „Krieg“ im Gange.

Überschattet von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in Moskau die traditionelle Militärparade zum 78. Jahrestags des sowjetischen Siegs über Nazi-Deutschland begonnen. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen marschierten am Dienstag Tausende Soldaten auf dem Roten Platz auf. Russlands Präsident Wladimir Putin stellte in seiner Rede sein Land im aktuellen Krieg gegen die Ukraine als Opfer dar: "Gegen unser Vaterland wurde ein echter Krieg entfesselt."

Auch mehr als ein Jahr nach Kriegsbeginn war in Moskau bis zuletzt in der Regel nur von einer "militärischen Spezial-Operation" die Rede gewesen. "Wir sind stolz auf die Teilnehmer der militärischen Spezialoperation in der Ukraine", betonte Putin. Es gebe nichts Stärkeres als die Liebe der Russen zum Vaterland, sagte der russische Präsident weiter. Putin hatte den Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 selbst angeordnet. Moskau rechtfertigt dies mit der angeblichen Unterdrückung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ostukraine durch die Regierung in Kiew.

Auch behauptet Russland, vom Westen bedroht worden zu sein. "Aber wir haben den internationalen Terrorismus zurückgeschlagen, wir werden die Einwohner des Donbass beschützen und wir werden unsere Sicherheit gewährleisten." Einmal mehr behauptete Putin zudem, die Ukraine sei zur "Geisel" westlicher Staaten geworden, die Russland zerstören wollten. "Ihr Ziel besteht (...) im Zerfall und in der Zerstörung unseres Landes."

Offiziell 8000 Soldaten aufmarschiert

Bereits seit 2014 werden Teile des Donbass in der Ostukraine von pro-russischen Separatisten gehalten. Zudem wurde die Halbinsel Krim von Russland 2014 annektiert. Die von pro-russischen und russischen Truppen okkupierten Gebiete im Osten und Süden der Ukraine wurden dann am 30. September 2022 ebenfalls von Russland annektiert. Allerdings blieb der genaue Grenzverlauf offen, zumal manche Gebiete später von der Ukraine wieder zurückerobert wurden.

Offiziellen Angaben zufolge sind auf dem Roten Platz rund 8.000 Soldaten aufmarschiert - darunter offenbar auch Männer, die in den vergangenen Monaten in der Ukraine kämpften. Anders als ursprünglich angekündigt sind nun doch einige ausländische Staats- und Regierungschefs auf der Ehrentribüne zu Gast - nämlich aus den Ex-Sowjetrepubliken Belarus (Weißrussland), Kasachstan, Tadschikistan, Turkmenistan, Kirgistan, Usbekistan und Armenien.

RUSSIA, MOSCOW - MAY 9, 2023: Armenia s Prime Minister Nikol Pashinyan (L front), Belarus President Alexander Lukashenko
RUSSIA, MOSCOW - MAY 9, 2023: Armenia s Prime Minister Nikol Pashinyan (L front), Belarus President Alexander LukashenkoIMAGO/ITAR-TASS

Kampfpanzer fehlten

Trotz klaren Himmels fand in diesem Jahr keine Flugshow als Teil der Militärparade statt. An Militärtechnik präsentierte das russische Militär am Dienstag vor allem gepanzerte Radfahrzeuge. Kampfpanzer fehlten, mit Ausnahme des historischen T-34. Offiziell gab es bis zum Vormittag keine Erklärung für das Fehlen von Kampfpanzern und Flugzeugen. Kampfpanzer sind traditionell Teil der Parade. In den vergangenen Jahren wurde in Moskau vor allem das neueste Panzer-Modell Armata (T-14) präsentiert. Im April hatten russische Medien darüber berichtet, dass der Armata erstmals in Russlands Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werde. Die Flugshow wurde in den vergangenen Jahren mehrfach wegen schlechten Wetters abgesagt. In diesem Jahr hatten einige Beobachter angesichts von Sicherheitsrisiken schon gar nicht mehr mit ihr gerechnet.

Insbesondere nach einem Drohnen-Vorfall am Kreml war in den vergangenen Tagen immer wieder spekuliert worden, ob die Parade tatsächlich stattfindet oder eventuell doch aus Sicherheitsgründen abgesagt wird. In der Nacht auf den vergangenen Mittwoch waren nämlich zwei Drohnen bis zum Kreml-Gelände vorgedrungen. Über der Kuppel des Senatspalasts konnten sie von der Luftabwehr zum Absturz gebracht werden. Moskau macht Kiew für den angeblichen Anschlagsversuch auf Putin verantwortlich. Die Ukraine weist das zurück und spricht von einer russischen Inszenierung.

Mehrere Paraden wegen Sicherheitsrisikos abgesagt

Abgesagt wurde für dieses Jahr in Moskau allerdings der Traditionsmarsch "Unsterbliches Regiment", der gewöhnlich nach der Parade abgehalten wird. In mehr als 20 anderen russischen Städten wurden auch die Paraden selbst Medienberichten zufolge wegen des hohen Sicherheitsrisikos gestrichen. In den vergangenen Wochen war es insbesondere im Süden Russlands und auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim zu Anschlägen gekommen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz richtete unterdessen eine Warnung an Putin und warf ihm "Machtgehabe" vor. Die Zukunft gehöre "nicht den Revisionisten, die vom nationalen Ruhm träumen und nach imperialer Macht lechzen", sagte er am Dienstag in einer Rede im Europäischen Parlament in Straßburg. Die Vergangenheit werde nicht über die Zukunft triumphieren. "Bleiben wir standhaft in unserer Unterstützung der Ukraine - solange wie das nötig ist", rief der deutsche Politiker den EU-Abgeordneten zu. Zur Begründung für seinen Appell sagte Scholz, niemand wolle zurück in die Zeit, als in Europa das Recht des Stärkeren galt und als kleinere Länder sich größeren zu fügen hatten. Freiheit müsse ein Grundrecht aller bleiben.

(APA/dpa/Reuters)

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