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Wie der ORF-Chef die Mannschaft auf den ORF-Beitrag einschwört

ORF-Generaldirektor Roland Weiszmann zur geplanten Neuregelung der ORF-Finanzierung
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Per E-Mail gibt ORF-Generaldirektor Roland Weißmann den Mitarbeitern vor, wie sie den ORF-Beitrag und die geplante Digitalnovelle verteidigen sollen.

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann will offenbar nichts dem Zufall überlassen. Einerseits sind die Gesetze zum ORF-Beitrag und zur Digitalnovelle derzeit noch in Begutachtung – es könnte sich theoretisch also noch das eine oder andere daran ändern. Andererseits will Weißmann nicht, dass die Stimmung in der Öffentlichkeit gegen den ORF kippt - schließlich werden die Kunden künftig zwar etwas weniger zahlen, dafür werden deutlich mehr Haushalte als bisher zur Kasse gebeten. Weißmann hat daher die ORF-Mannschaft in einem langen E-Mail, das der „Presse“ vorliegt, darauf eingeschworen, die geplanten Änderungen gegenüber Kritikern zu argumentieren - und liefert gleich umfassende Argumente mit.

Der Reihe nach werden verschiedene Kritikpunkte aufgelistet, die jemand einbringen könnte: Zum Vorwurf "Der ORF bekommt mehr als 800 Millionen!“ schreibt Weißmann, es seien „im Durchschnitt“ 710 Millionen Euro jährlich. Die müssten in den (u.a. um einen Online-Kinder-und Jugendkanal erweiterten) öffentlich-rechtlichen Auftrag investiert werden, was von der Medienbehörde überprüft werde.

Nicht „zeitungsähnlich“ berichten

Dass die Online-Rechte des ORF massiv ausgeweitet werden, bestreitet Weißmann - man erhalte zwar durch die Digitalnovelle „mehr Spielraum“ (u.a. darf der ORF in der TVthek und auf ORF Sound Sendungen länger als bisher nur sieben Tage zum Streamen anbieten), er bleibe aber „weiterhin sehr streng reglementiert“. So müssten etwa neue Angebote einer „langwierigen Auftragsvorprüfung“ (wie es sie allerdings jetzt auch schon gibt; Anm.) unterzogen werden, argumentiert Weißmann. Auch würde das Textangebot auf ORF.at auf 350 Artikel pro Woche limitiert und die Überblickberichterstattung dürfe nicht „zeitungsähnlich“ aussehen.

Sollte sich jemand über den ORF-Beitrag beschweren, könnte er von ORFlern in Zukunft folgende Antworten bekommen: Der Beitrag sei mit 50 Cent pro Tag „das günstigste Programmentgelt im deutschsprachigen Raum“. Und wenn man meint, der ORF-Beitrag wäre „unfair"? Dann wird man daran erinnert werden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine „Infrastruktur-Leistung im Dienste der Allgemeinheit“ sei - ähnlich den Bereichen Verkehr, Gesundheit oder Bildung, für die ja auch alle zahlen. Weißmann findet vielmehr, der ORF-Beitrag sei „fairer" zwischen den österreichischen Haushalten verteilt als die GIS-Gebühr, die reine Streaming-Nutzer nicht bezahlen mussten.

Kampf um Marktverzerrung und Werbeerlöse

Nachdem Österreichs Zeitungen am vergangenen Mittwoch mit leeren Titelseiten gegen die geplanten ORF-Novellen protestiert hatten, weil den privaten Medien durch die zusätzlichen Möglichkeiten des ORF im Onlinebereich "jegliche Entwicklungsmöglichkeit in die Zukunft abgeschnitten“ wird, wie österreichische Verleger befürchten, liefert Weißmann auch dafür Gegenargumente: Das duale Mediensystem in Österreich sei nicht durch den ORF, sondern vielmehr durch Google, Meta und Co. bedroht: „So entfallen bereits mehr als 80 Prozent des Online-Werbemarktes auf internationale Plattformen, auf den ORF nur ein Prozent“, schreibt er weiter. Die Werbeerlöse des ORF (2021: 228 Mio. Euro) seien „seit rund zwanzig Jahren rückläufig“, „jeder Euro“ werde ins Programm investiert.

Und falls dann jemand sagen würde, der ORF solle doch sparen, dann sollten die ORFler erwidern, dass der ORF bereits seit 15 Jahren konsequent spare. Weißmann liefert die Zahlen dazu: Seit 2007 seien 938 Vollzeitstellen abgebaut worden (ein Fünftel des Personals), es gebe seit 2013 einen günstigeren Kollektivvertrag, und in den vergangenen Jahren „die niedrigsten Lohnabgschlüsse Österreichs“ (2022 waren es 2,1 Prozent mehr). Der ORF habe in den vergangenen Jahren „nachhaltig“ eingespart - seit 2017 habe man die Kosten um 453 Millionen Euro reduziert, davon knapp die Hälfte beim Personal.

>> Zum ORF-Argumentarium, das am Mittwoch online gestellt wurde

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