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James Gunn: Der Mann, der Superheldenfilme grindig macht

Die „Guardians of the Galaxy“, jetzt mit „Vol. 3“ wieder im Kino: Superhelden mit Ecken und Kanten.
Die „Guardians of the Galaxy“, jetzt mit „Vol. 3“ wieder im Kino: Superhelden mit Ecken und Kanten.(c) Disney
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Bei Marvel sorgte Regisseur James Gunn mit den „Guardians of the Galaxy“ für Charakter, jetzt leitet er die Konkurrenz DC. Wer ist dieser (Anti-)Heldenspezialist?

In „Guardians of the Galaxy Vol. 3“ mokiert sich der Anführer der titelgebenden Weltraumwächter über die Auswirkungen des Plots des letzten großen Marvel-Superheldenspektakelfilms „Avengers: Endgame“. Dieser, so Guardians-Chef Star-Lord (Chris Pratt), habe mittels Zeitreisen ein Durcheinander verursacht, mit dem er sich nun herumschlagen müsse. Ein paar Sätze offeriert er dennoch als indirektes Versöhnungsangebot an Fans des kommerziell erfolgreichsten Marvel-Films: Alle sitzen im selben Boot, und wäre einst nicht die Zeit zurückgedreht worden, hätte er seine große Liebe Gamora (sprich: die Zuschauer viele ihrer heiß geliebten Superhelden!) für immer verloren. Tröstlich. Man kann diesen impliziten Metakommentar aber auch als Häme des „Guardians“-Regisseurs James Gunn lesen: Dank kruder Plot-Manöver, die andere verantwortet haben, muss er sich jetzt in seinem (dem Marvel-Universum angeschlossenen) Film mit erzählerischem Wirrwarr abplagen.

Auch darüber hinaus hätte Gunn Anlass für einen Seitenhieb gegen Marvel-Mutterkonzern Disney. Wurde er doch 2018, kurz vor Drehstart des dritten „Guardians“-Films, aufgrund geschmackloser Witze auf Twitter vom sich gern blitzsauber gebenden Unterhaltungsriesen gefeuert. Einen Aufschrei vieler Kollegen und eine Fan-Petition später durfte der Scherzbold sein letztes Marvel-Projekt dann aber doch inszenieren. Ja, genau, sein letztes - denn kürzlich hat die direkte Marvel-Konkurrenz Gunn abgeworben. Nun werkelt der 56-jährige ausschließlich für die andere große US-Comic-Firma: DC. Und das sogar federführend.

Die zwei Seiten der Superheldenmedaille

Gunn verdiente sich seine ersten Sporen mit Drehbüchern für die hintersinnige Billig-, Körper- und Kreaturen-Horror-Schmiede Troma Entertainment. Der erste „Guardians“-Film katapultierte ihn 2014 als Regisseur in die Blockbuster-Oberliga – auch, weil er seinen Außenseiter-Helden jene Ecken und Kanten zugestand, die in diesem Genre gemeinhin sorgfältig weggeschliffen werden. Diese „Edgyness“ (so nennt die US-Unterhaltungsbranche „kantiges“ Provokations-Potenzial) könnte sich eher eignen für eine Marke, die noch immer vom Image zehrt, Comic-Unterhaltung für die Erwachseneren unter uns zu fabrizieren. Zwar fetzen sich die Helden manchmal auch im „Marvel Cinematic Universe“ ordentlich. Selten jedoch - wie etwa in der DC-Produktion „Batman v Superman: Dawn of Justice“ - mit mörderischer Absicht und mythologisch aufgeladenem Bierernst.

Überhaupt lassen sich viele DC-Filme so lesen, als seien sie zur Kenntlichkeit entstellte Versionen der Konkurrenzprodukte. Die Avengers, Marvels beliebtestes Heldenteam, werden stets für ihr Weltpolizei-Spielen abgefeiert. In „The Suicide Squad“ hingegen - einem Antihelden-Abenteuer, das Gunn bereits 2021 für DC realisierte - kommt derlei Schabernack viel fieser in den Blick: Wenn ein Supersöldner mit dem sarkastischen Namen Peacemaker darin minutenlang Soldaten einer befreundeten Armee abschlachtet, ist das nicht nur ob der Splatter-Schauwerte bemerkenswert. Schon vor Marvel und DC zeigte Gunn gern die andere, ungute Seite der Superheldenmedaille: In der Satire „Super“ ließ er 2010 einen rotkostümierten Selbstjustizler mit einem Schraubenschüssel auf Zivilisten einprügeln.

Schon seit längerem verfolgt DC (bzw. dessen Konzerninhaber Warner Bros.) mit bunt-fröhlichen Spektakeln wie „Aquaman“ die Strategie, beide Medaillenseiten unter einem Dach zu vereinen - und so ein breiteres Marktsegment zu bedienen. Dass der neue DC-Chef sich sowohl dem Diktat der Familientauglichkeit beugen als auch sein gewohnt grindiges Ding durchziehen kann, davon zeugt seine dritte „Guardians“-Sci-Fi-Actionkomödie mehr als noch die beiden Vorgänger. Aber wie geht sich das überhaupt aus?

„Guardians of the Galaxy Vol. 3": Ein Herz für Hybridwesen

Genau von dieser Frage handelt dieses Frankenstein-Experiment. Vordergründig jedoch von einer Rettungsmission für den Action-Waschbären Rocket (gesprochen von Bradley Cooper), dem Grantler und Schmähtandler der Guardians: Viel sehen wir diesmal von seiner Kindheit, als er sich eingesperrt mit seinesgleichen - Ergebnissen grässlicher Tierversuche - anfreundet. Auch jenseits dieser Rückblenden zieht Gunn eine Freakshow auf: Seine Galaxie ist bevölkert von lieben bis ekligen Hybriden aus Tier und Maschine bzw. Mensch. Allesamt verbrochen von einem Bösewicht mit Gottkomplex und dem Plan, perfekte Wesen für eine perfekte Welt zu züchten - noch eine Sottise gegen Disney? Einer der Ausschuss-Planeten des Antagonisten ist eine Kopie der Erde, bewohnt von Vogel-, Echsen-, und Ziegenmenschen als Vorort-Normalos: Nur einer von vielen skurrilen Schauwerten in diesem Film.

Der Oberfiesling steht der „Orgo-Corp“ vor: Ein im Weltall schwebendes, wildwucherndes Riesenkrebsgeschwür mit Haar- und Knochen-Auswüchsen. Am Set- sowie Kreaturen-Design erkennt man Gunns Faible fürs Groteske. Will er damit vielleicht sogar etwaige Merchandising-Pläne sabotieren? Wollen die Kleinen wirklich ein Kaninchen-Stofftier mit Roboter-Spinnenbeinen knuddeln? Wobei: „Guardians 3“ hat es ohnehin auf eine andere, ältere Zielgruppe abgesehen, und die stellt sich solche Hybridwesen gern in den Spielfiguren-Sammelschrank. Es ist ein Publikum, das es immer noch cool findet, wenn die Guardians zum x-ten Mal in Zeitlupe auf die Kamera zu marschieren. Das gerne Tränen zerdrückt bei der Schmalz-Botschaft, die wahre Superkraft sei ja die Kraft der Freundschaft. Das von alledem - und von den unablässig augenzwinkernden Witzen der „Guardians“-Reihe – weiterhin nicht genervt ist.

Eine Zielgruppe also, die sich ernsthaft darum sorgt, wer welche Comic-Marke wo hinführt - und die so oder so die Kinos füllt. Weil es für sie nicht auf die Regisseure per se ankommt, sondern darauf, ob diese sich der Markt- und Markenstrategie der Studios fügen. Gunns Bewerbung für den DC-Posten mit Marvel-Mitteln ist erfolgreich verlaufen. Jetzt muss er liefern.

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