Autorenstreik in Hollywood

Streik der Drehbuchautoren: Was jetzt noch produziert wird – und was nicht

Syndication: USA TODAY May 2, 2023; Los Angeles, CA, USA; Members of the Writers Guild of America picket in front of Dis
Syndication: USA TODAY May 2, 2023; Los Angeles, CA, USA; Members of the Writers Guild of America picket in front of DisIMAGO/USA TODAY Network
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Serien wie „Stranger Things“ können nicht gedreht werden, statt „Saturday Night Live“ laufen Wiederholungen – und einige Produzenten stecken in der Zwickmühle: Sollen sie sich am Streik beteiligen oder ihre Verträge mit Studios und Streamingdiensten einhalten?

Der Streik der Drehbuchautorinnen und -autoren Hollywoods zeigt erste Auswirkungen. „Das Schreiben endet nicht, wenn das Drehen beginnt“, schreiben die Gebrüder Duffer, die Schöpfer der Netflix-Hitserie „Stranger Things“, auf Twitter. Der geplante Dreh der fünften und finalen Staffel könne daher nicht starten. „Wir hoffen, dass bald ein fairer Deal erreicht werden kann“, schreiben die beiden weiter. „Bis dahin: Over and out.“

„Stranger Things“ ist nicht die einzige Produktion, die bereits vom Streik betroffen ist. Am 2. Mai legten die 11.500 Mitglieder der WGA (Writers Guild of America), der US-Autorengewerkschaft der Film- und Fernsehindustrie, die Arbeit nieder. Sie fordern bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen, durch den Wandel der Industrie in der Streaming-Ära seien sie stark benachteiligt worden, klagen sie. Weil bei Verhandlungen keine Einigung erreicht werden konnte, versagen sie den Studios und Streamingdiensten nun ihre Dienste. Und das womöglich für lange Zeit: Der letzte Streik der WGA in den Jahren 2007/2008 dauerte 100 Tage. Zuletzt meldete sich gar der US-Präsident zum aktuellen Streik zu Wort: Er hoffe, „dass die Autoren den fairen Deal bekommen, des sie verdienen, so bald wie möglich“, sagte Joe Biden am Montagabend.

„Sie streiken für uns alle"

Was der Autorenstreik in Hollywood mit den Drehbuchautoren in Österreich zu tun hat? Gar nicht so wenig, verraten zwei Vertreterinnen. >> Ein Blick auf eine verborgene Profession, Geschichten als Gebrauchsware und die Beträge, die TV-Sender hierzulande für Drehbücher hinblättern.

„Big Mouth“, „Yellowjackets“, „Blade“ pausiert

Für die US-Fernsehzuschauer zeigten sich manche Auswirkungen des jetzigen Streiks schnell: Anstelle von Late-Night-Shows wie jenen von Jimmy Kimmel oder John Oliver und Comedy-Shows wie „Saturday Night Live“ laufen Wiederholungen. Bis den Kinos oder Streamingdiensten das Programm ausgeht, dauert es naturgemäß aufgrund der langen Vorlaufzeiten – aber erste Verzögerungen kündigen sich schon an: Neben „Stranger Things“ sind vor allem Serien betroffen, die gerade im Prozess des Drehbuchschreibens steckten: So wurden etwa für „Abbott Elementary“, die achte Staffel „Big Mouth“, die sechste Staffel „Cobra Kai“ und die dritte Staffel „Yellowjackets“ die sogenannten Writers‘ Rooms (kollaborative Schreibstuben, in denen mehrere Autoren gemeinsam an einer Serie arbeiten) geschlossen. Auch bei Marvel kommt es zu Unterbrechungen: Die Vorbereitungen für den Film „Blade“ mit Oscar-Preisträger Mahershala Ali stehen still.

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3(c) Tina Rowden/Netflix (Tina Rowden/Netflix)

Ebenso pausiert ist der Schreibprozess für das geplante „Game of Thrones“-Spinoff „A Knight of the Seven Kingdoms: The Hedge Knight“. Er sei nicht in Los Angeles, schreibt Autor George R.R. Martin in einem Blogpost, und könne daher nicht am Streikposten stehen, wie er es 1988 gemacht habe (der damalige Autorenstreik währte übrigens 153 Tage, also 22 Wochen lang). Er spreche der Gewerkschaft aber seine „volle und komplette und unmissverständliche Unterstützung“ aus.

„Herr der Ringe“-Serie: Die Schöpfer kommen nicht ans Set

Was aber, wenn eine Serie schon mitten in der Drehphase ist? Die umfassenden Streikregeln machen solche Produktionen kompliziert. In Großbritannien wird gerade die zweite Staffel der Amazonserie „The Lord of the Rings: The Rings of Power" gedreht. Die Arbeiten werden fortgesetzt, allerdings ohne die beiden Serienschöpfer J.D. Payne und Patrick McKay: Das Autorenduo, das zugleich zu den Produzenten der Serie zählt, leistet im Zuge des Streiks keine schreiberischen Dienste – und dazu würden auch kreative Entscheidungen zählen, die direkt am Set getroffen werden. Das übernehmen nun jene Regisseurinnen und Produzentinnen der Serie, die nicht zugleich Autorinnen und damit Mitglieder der Autorengewerkschaft sind.

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US-HOLLYWOOD-WRITERS-GO-ON-STRIKE-IN-DISPUTE-OVER-PAYMENTS-FOR-SAPA/Getty Images via AFP/GETTY I

Anders läuft es offenbar bei den Dreharbeiten zur zweiten Staffel des „Game of Thrones“-Ablegers „House of the Dragon“, die ebenfalls gerade in Großbritannien stattfinden: Showrunner Ryan Condal ist zugegen, leistet aber nur strikt nicht-schreiberische Dienste, berichtet das Branchenblatt „Variety“ unter Berufung auf produktionsnahe Quellen. Das bedeutet: Keine Bearbeitungen, keine Notizen, keine Ergänzungen. „Game of Thrones“-Schöpfer Martin erklärt auf seinem Blog, wie Dreharbeiten unter diesen Umständen möglich sind: Die Drehbücher seien seit Monaten fertig. „Es wird keine Bearbeitungen mehr geben. Die Autoren haben ihren Job gemacht, der Rest liegt in den Händen der Regisseure, Darsteller, Mitarbeiter . . . und natürlich der Drachen.“

Dialoge umschreiben verboten

Die Streikregeln der WGA sind strikt: Dazu gehört nicht nur, die Arbeit an Drehbüchern einzustellen. Die Gewerkschaftsmitglieder reichen während des Streiks auch keine Bücher oder Ideen ein, besprechen keine laufenden oder zukünftigen Projekte, unterzeichnen keine Verträge, nehmen keine Bearbeitungen vor, ja: betreten nicht einmal die Studios. Für die vielen Autorinnen, die zugleich eine zweite Funktion erfüllen – oft als Regisseurinnen, Produzentinnen oder Darstellerinnen – gelten zusätzliche Regeln: Sie dürfen etwa auch keine Änderungen ihrer Drehbücher vornehmen, die während einer Produktion aber oft notwendig werden: etwa um Stellen zu kürzen, um auf geänderte Drehbedingungen oder wechselnde Besetzungen einzugehen – oder einfach um während des Drehs einen Dialog leicht anzupassen.

Viele Showrunner stecken nun in der Zwickmühle: Als Produzenten sind sie der Entwicklung ihrer Serie verpflichtet, als Autoren unterstützen sie den Streik. Einige der großen Studios forderten sie nun unmissverständlich auf, trotz des Streiks zur Arbeit zu erscheinen. Disney schickte etwa einen Brief aus, in dem „wir bekräftigen, dass der WGA-Streik Sie nicht davon entschuldigt, Ihre Pflichten als Showrunner und/oder Produzent zu erfüllen.“ Auch wenn damit ein Streikbruch und Strafen durch die Gewerkschaft eingehen, wie im Brief betont wird – für etwaige Geldstrafen wolle Disney Betroffene sogar entschädigen. Ähnliche Schreiben gingen auch von CBS und HBO aus. Letzteres Unternehmen stellte auch klar: Wenn durch den Streik eine Produktion unterbrochen wird, dann sei man „nicht verpflichtet, Ihr Gehalt weiter zu bezahlen, noch das Gehalt des Filmteams.“

"Die Bleistifte nieder!“: Was Hollywoods Drehbuchautoren wollen

Seit 2. Mai streiken die Mitglieder der US-Autorengewerkschaft WGA. Im Zentrum des Konflikts steht ein Wandel der Arbeitsbedingungen durch die Streaming-Ära: Früher hatten Serien früher oft über 20 Folgen pro Staffel. Für Autoren bedeutete das eine Einnahmequelle über längere Zeit. Zudem verdienten sie mit, wenn die Serie auf DVD erschien oder erneut ausgestrahlt wurde. Heute produzieren Streamingdienste zunehmend kurze Acht- bis Zwölfteiler, die dauerhaft auf den Plattformen bleiben.

Weitere Kritikpunkte: In den Writers' Rooms würden immer weniger Leute eingesetzt – und bekämen immer weniger Zeit. Die Autoren würden damit in die Arbeitsmodelle einer Gig-Economy gedrängt. Auch der Umgang mit KI ist nicht geregelt.

Für die Studios, vertreten durch die AMPTP (Alliance of Motion Picture and Television Producers), kommen die Forderungen zu einer schlechten Zeit: An den Märkten sind die Streamingdienste unter Druck, nach Jahren der Versprechungen auch Gewinne einzufahren. Disney etwa ist gerade dabei, 7000 Mitarbeiter einzusparen.

Als „Union-Busting“, als Sabotage von Gewerkschaftsbemühungen, bezeichnet die WGA solche Praktiken. Für Showrunner bedeuten sie, dass sie sich entscheiden müssen, welche Vereinbarung sie brechen wollen. Denn an einer Serie zu arbeiten, ohne auch – laut der Definition der Autorengewerkschaft – daran zu schreiben, sei kaum möglich: „Man kann sein Produzentenhirn nicht von seinem Autorenhirn trennen“, sagte jüngst ein Autor/Produzent bei einer Gewerkschaftsdiskussion.

Auch LKW-Fahrer halten vor Streikposten

Die Folgen des Drehbuchstreiks sind aber noch umfassender: Vor den Toren der großen Studios – darunter Netflix, Disney, Warner und Paramount – haben die Autoren Streikposten gebildet. Diese zu passieren und die Gebäude zu betreten, ist unter den Streik-Regeln verboten. Aus Solidarität halten sich auch so manche Nicht-Autoren daran. Was jüngst etwa dazu führte, dass die Premiere der Streaming-Doku „Still“ – über das Leben des Schauspielers Michael J. Fox und den Kampf mit seiner Parkinson-Erkrankung – in Los Angeles abgesagt wurde. Fox hatte sich geweigert, die Streikpostenkette vor den Universal Studios zu durchbrechen.

Solidarität mit den Autoren – zumindest bis zu einem gewissen Grad – zeigen übrigens auch die LKW-Fahrer, die die Filmproduktionen versorgen: Berichten zufolge schließen sich die sogenannten Teamsters, wie sich in den USA die Gewerkschaftsmitglieder der Transportarbeiter nennen, dem Streik nicht an, respektieren aber die Streikpostenketten vor den Studios und durchbrechen diese nicht. Was einige Autoren auf die Idee brachte, schon früh morgens ihre Stellungen zu beziehen (statt wie üblich ab neun Uhr), um die Fahrer, die dann üblicherweise ihre Lieferungen bringen, abzufangen. Dem Branchenblatt „Deadline“ zufolge führte das dazu, dass die Dreharbeiten zur Apple-Serie „Severance“ unterbrochen wurden.

An der Entwicklung des Streiks dürften die Fahrer übrigens besonders interessiert sein: Nach den Verhandlungen zwischen den Produzenten und Autoren ist nämlich die Regie-Gewerkschaft (DGA) dran, gefolgt von den Schauspielern (SAG) – und nächstes Jahr dann den Bühnenarbeitern und Teamsters.

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