Ambulanzgebühr

"Amerikanische Zustände": Heftiger Widerstand gegen Vorstoß aus der Ärztekammer

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Sowohl Minister Johannes Rauch als auch Andreas Huss, Obmann der Gesundheitskasse, erteilen dem Vorstoß der Bundeskurie der angestellte Ärzte in der Ärztekammer eine Absage.

Die Idee von Harald Mayer, Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzte in der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), wonach Patienten, die ohne Überweisung eine Spitalsambulanz aufsuchen, sämtliche anfallenden Kosten selbst bezahlen sollten, stößt auf breiten Widerstand.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) erteilt dem Vorschlag nach der Rückkehr einer Ambulanzgebühr ebenso eine Absage wie die Gewerkschaft GPA, die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) und auch die Wiener Ärztekammer, die derzeit interimistisch von Stefan Ferenci geleitete wird. Johannes Steinhart hatte sein Amt wegen einer Herzoperation ruhend gestellt.

Er halte von Mayers Vorstoß „gar nichts“, sagte Rauch am Mittwochvormittag am Rande des Ministerrats. Eine Rückkehr der Ambulanzgebühr werde es mit ihm nicht geben: „Das kommt überhaupt nicht infrage.“ GPA-Vorsitzende Barbara Teiber lehnt eine Ambulanzgebühr ebenfalls ab. „Die Ärztekammer, die sonst jede Weiterentwicklung des Gesundheitssystems blockiert, verlangt jetzt hohe Ambulanzgebühren, um Patientinnen und Patienten zu bestrafen. Das ist an Chuzpe kaum zu überbieten“, so Teiber. Sie attestiert der Kammer, „amerikanische Zustände herbeizusehnen“. Zwar müssten Patientenströme besser gesteuert werden, Strafen seien aber der falsche Weg.

„Scheitern programmiert“

Ähnlich ablehnend zeigt sich ÖGK-Vizeobmann Andreas Huss. „Die Ambulanzgebühr ist schon einmal gescheitert, auch diesmal ist das Scheitern programmiert“, sagt er. Stattdessen sollte man den Menschen gute Versorgungsangebote in Primärversorgungszentren mit klaren Patientenwegen offerieren und generell die niedergelassene Versorgung so ausbauen, dass sie für die Menschen eine attraktive Alternative zu Spitalsambulanzen darstelle. Auch SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher ortet eine Idee aus der „Mottenkiste“.

Offener Widerstand kommt sogar aus der Wiener Ärztekammer. „Es kann nicht sein, dass man Patientinnen und Patienten dafür bestraft, dass die Lenkung von Patientenströmen im österreichischen Gesundheitswesen nicht ausreichend funktioniert“, sagt Ferenci, der auch Obmann der Kurie für angestellte Ärzte ist.

„Es gibt zweifelsohne zahlreiche Baustellen im österreichischen Gesundheitswesen, von Kompetenzstreitigkeiten über uneinheitliche Leistungskataloge bis hin zu einer Unterfinanzierung des kassenärztlichen Bereichs und der öffentlichen Spitäler. Hier gilt es anzusetzen, nicht bei Ambulanzgebühren“, fügt Erik Randall Huber hinzu, Vizepräsident und Obmann der Kurie der niedergelassene Ärzte der Ärztekammer Wien.

Attraktive Bedingungen

Gemeinsam mit der Stadt Wien gehe man bezüglich der Lenkung von Patientenströmen bereits einen erfolgreichen Weg. Die sogenannten Erstversorgungsambulanzen vor öffentlichen Spitälern seien eine Kooperation der Ärztekammer mit der Stadt Wien und dienten zur Unterstützung und Entlastung von Spitalsambulanzen. Zusätzlich gehe es auch darum, den niedergelassenen Kassenbereich so zu gestalten, dass die Patienten dort die erste Anlaufstelle finden. In diesem Zusammenhang erneuerte die Wiener Kammer auch ihre Forderung nach 300 zusätzlichen Kassenstellen für Wien.

Auf Spitalsebene wiederum sei es notwendig, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, „um die Personalflucht aus den öffentlichen Spitälern und daraus resultierende Versorgungsengpässe zu stoppen“. In dieser Hinsicht habe die Wiener Standesvertretung bereits ganz konkrete Vorschläge zur Rettung der Wiener Spitäler vorgelegt, unter anderem eine Rückkehr- und Bleibeprämie in der Höhe von 24.000 Euro für alle Gesundheitsberufe im Spital und die Forderung nach der sofortigen Besetzung aller offenen Dienstposten in den Wiener Spitälern.

„Die Zeit des Kaputtsparens muss ein Ende haben. Wir sehen täglich, wo uns das Versagen der Gesundheitspolitik der letzten Jahre hingeführt hat“, sagt Ferenci. „Es wird nicht ohne zusätzliches Geld für die Spitäler und das öffentliche Gesundheitswesen gehen. Die laufenden Finanzausgleichsverhandlungen bieten die Chance, dieses zusätzliche Geld im Sinne der Patientinnen und Patienten jetzt zu budgetieren.“

Huber zufolge könnte der niedergelassene Bereich die überlasteten Ambulanzen viel stärker entlasten, „nur ist das im aktuellen Leistungskatalog nicht abgebildet“. Dafür habe die Kammer bereits einen einheitlichen Leistungskatalog erarbeitet, der schon seit Jahren auf eine Umsetzung durch Politik und Sozialversicherungsträger warte. Die Wiener Ärztekammer stehe jedenfalls für ein solidarisches öffentliches Gesundheitssystem, das allen Menschen kostenfrei die beste Versorgung nach dem aktuellsten Wissensstand der Medizin bietet.

Doskozil: „Falsche Debatte“

Auch Burgenlands Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil (SPÖ), aktuell Vorsitzender der Landeshauptleute, sieht eine „völlig falsche Debatte, noch dazu zur Unzeit“. Man sollte endlich das Problem der Zwei-Klassen-Medizin an der Wurzel packen und gesetzliche Maßnahmen dagegen setzen.

Österreichweit habe man das Problem zu weniger bzw. unbesetzter Kassenstellen bei einem gleichzeitigen rasanten Anstieg von Wahlarztpraxen. „Jetzt noch den Zugang zu Ambulanzen mit Kostenhürden zu versehen nimmt vielen Menschen eine Versorgungsoption und löst das Problem nicht.“

In Wirklichkeit komme das in vielen Regionen einer indirekten Wahlarzt-Pflicht gleich, so Doskozil. „Das lehne ich strikt ab.“ Notwendig wären stattdessen eine Neuregelung der Ärzteausbildung und eine gesetzliche Sicherstellung der ärztlichen Bereitschaftsdienste.

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