Verleger wollen ORF auf öffentlich-rechtlichen Auftrag abklopfen

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Der VÖZ entwickelte ein Fünf-Punkte-Programm zur Novellierung des ORF-Gesetzes. Der ORF veröffentlichte sein Argumentarium, wie ORF-Mitarbeiter den ORF-Beitrag und die geplante Digitalnovelle verteidigen sollen.

Unzufrieden mit der in Begutachtung befindlichen ORF-Gesetzesnovelle ist der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Bei einer Vorstandsklausur wurde ein Fünf-Punkte-Programm entwickelt, das "einen fairen Ausgleich im Interesse eines dualen Medienmarkts gewährleisten" soll, gab der VÖZ bekannt. Die Forderungen umfassen etwa eine Evaluierung des ORF-Programms, eine weitere Beschränkung der Werbung und das weitgehende Aus von Social-Media-Aktivitäten.

Die aktuellen ORF-Programme sollen nach Ansicht des VÖZ in Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF evaluiert werden. Was diesem nicht entspricht, soll dem privaten Mediensektor "zugewiesen" werden. Durch die damit einhergehende Verringerung des Programmangebots könnte auch der ORF-Beitrag weiter gesenkt werden, meinen die Verleger und fordern zudem eine Straffung der ORF-Strukturen und eine Gremienreform, die eine Entpolitisierung und Verkleinerung des Stiftungsrats beinhalten solle.

Weniger Text für die "blaue Seite"

Die ORF-Gesetzesnovelle sieht abseits einer Umstellung von der GIS auf den ORF-Beitrag für alle Haushalte und Firmen etwa die Möglichkeit für den ORF vor, Inhalte online-first und online-only zu produzieren. Auch fällt die 7-Tage-Abruffrist in der ORF-TVthek. Die Anzahl der Textmeldungen auf ORF.at wird im Gegenzug auf 350 Beiträge pro Woche limitiert, 70 Prozent der Seite müssen aus Bewegtbildinhalten bestehen. Speziell diese frei zugängliche "blaue Seite" ist den Verlegern ein Dorn im Auge. Sie sei zu zeitungsähnlich und hemme so die Geschäftsmodelle anderer Medienhäuser im digitalen Bereich, lautet die Kritik.

Auch in dem Fünf-Punkte-Programm geht der VÖZ auf ORF.at ein und fordert einen "eindeutigen Fokus auf audiovisuellen Content". "Die tägliche Überblicksberichterstattung hat aus audiovisuellen Beiträgen zu bestehen", so der VÖZ. Gefordert wird die Einsetzung einer paritätisch besetzten Schlichtungsstelle aus Mitgliedern der Zeitungs- und Zeitschriftenverlegerverbände und dem ORF-Direktorium. Um Verstöße ahnden zu können, brauche es zudem ein Verbandsbeschwerderecht bei der Medienbehörde KommAustria.

Werbung soll online beschränkt werden

Auch die Möglichkeit für den ORF, Inhalte "online only" zu produzieren, beäugt der VÖZ skeptisch und warnt vor einem "Wildwuchs an eigenständigen und von einer konkreten Sendung losgelösten Inhalten". Auch in Zukunft sollte das Prinzip der Programmbegleitung gelten. Die Werbemöglichkeiten für den ORF sollen weiter auf 1,5 Milliarden Ad-Impressions - also Sichtkontakte mit Werbemitteln - pro Jahr beschränkt werden. Für Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen solle das öffentlich-rechtliche Medienhaus keine öffentlichen Mittel erhalten, wobei sich der VÖZ einzelne Ausnahmen im Rahmen des Bildungsauftrags vorstellen kann.

Derzeit befindet sich die Gesetzesnovelle in Begutachtung. Der VÖZ stehe aber weiterhin für ernsthafte Verhandlungen zur Verfügung. Denn entgegen einer Aussage von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) soll es bisher nicht zu solchen gekommen sein. "Der Prozess war von Geheimniskrämerei mit spärlichen und selektiven Informationshäppchen gekennzeichnet. Faire und offene Verhandlungen mit den betroffenen Stakeholdern sehen definitiv anders aus", meinte VÖZ-Präsident Markus Mair.

Unverständnis im Medienministerim

Im Medienministerium stoßen die Forderungen des VÖZ auf Unverständnis. Im Zuge der Gesetzwerdung hätten "selbstverständlich laufend Abstimmungen und Gespräche mit der Vertretung des VÖZ" stattgefunden, "die im guten Einvernehmen über notwendige Maßnahmen zur Stärkung des gesamten Medienstandorts standen". Konkrete Maßnahmen hätten auch Eingang in den Begutachtungsentwurf gefunden. "Dass nun seitens des Verbandes erneute und weit darüber hinausgehende Forderungen gestellt werden, stößt im Medienministerium auf Unverständnis", hieß es gegenüber.

Wie den ORF-Beitrag verteidigen?

Indes hat der ORF als Reaktion auf die hitzig geführte Debatte um die Novelle ein Argumentarium zu den Gesetzesvorlagen auf seine Homepage gestellt. Damit schwor ORF-Generaldirektor Roland Weißmann die Mitarbeiter darauf ein, wie sie den ORF-Beitrag und die geplante Digitalnovelle verteidigen sollen.

>> Link zum ORF-Argumentarium

(APA)

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