Soziologie

Immer mehr Mütter, die nicht "hinauf heiraten"

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Bei „hypogamen Paaren“ hat die Frau einen höheren Status als der Mann. Der Karriereknick nach Kind eins ist bei Frauen, die besser gebildet sind als ihr Mann, geringer.

„Haben Sie auf dem Standesamt promoviert?" Diese Frage mussten sich früher Frauen gefallen lassen, die als Gattin des Herrn Doktor automatisch mit „Frau Doktor“ angesprochen wurden. Nun hat sich die Gesellschaft gewandelt: In immer mehr Paaren hat die Frau den höheren Bildungsabschluss. Jetzt nennt sich mancher Mann, der eine Frau mit Doktortitel heiratet, gern „Herr Doktor“.

„Seit fünf Jahren boomt die Forschung über solche Konstellationen“, sagt Nadia Steiber, Leiterin des Instituts für Soziologie der Uni Wien, und erklärt den Begriff Hypogamie. Im Gegensatz zu homogamen Paaren, in denen beide einen ähnlichen Status haben, übertrifft in hypogamen Beziehungen die Frau den Mann im Bildungsstatus und/oder Einkommen. Steiber erforscht in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF mit Lara Lebedinski (Uni Wien) und Rudolf Winter-Ebmer (Uni Linz) die Folgen von Hypogamie in Familien.

Die Strafe für das Mutterwerden

„Wir nutzen die neue gesetzliche Regelung, die erlaubt, Daten aus verschiedenen Registern zu verknüpfen. Das gibt es in anderen Ländern nicht“, lobt Steiber das Austrian Microdata Center der Statistik Austria. Das Team wertet die Daten von 500.000 Paaren aus, die in den 1990ern oder 2000ern ihr erstes Kind bekommen haben. Es verknüpft Daten zu Geburten mit Informationen zu Bildungsstand, Erwerbsstatus, Löhnen und Scheidungen.

Die erste Frage im Projekt galt der „Motherhood Penalty“, also der „Strafe“ in Form von Einkommenseinbußen für eine Frau, die Mutter wird. Diskussionen zum Karriereknick nach dem ersten Kind werden nicht nur zum Muttertag geführt. Fast jede Frau, die eine Karenzzeit hinter sich hat, kennt die Veränderungen auf dem Gehaltszettel. „In Österreich ist der Einkommensverlust nach dem ersten Kind im internationalen Vergleich sehr hoch“, sagt Steiber.

Bei Paaren, die zuvor ausgewogen zum Haushaltseinkommen beigetragen haben, fällt der Anteil der Frau ab der Geburt stark ab. Sogar zehn Jahre später liegt die Frau nur bei 30 Prozent des gemeinsamen Einkommens. Steiber nennt den Gender Pay Gap und Teilzeitarbeit als Gründe, warum Mütter weniger verdienen als Väter.

PW

„Erfreulich war in unserer Analyse, dass in hypogamen Paaren diese ,Motherhood Penalty‘ deutlich kleiner ist“, so Steiber. Die Frau hat zwar weiterhin einen Knick in der Gehaltsentwicklung. Aber wenn sie höher gebildet ist als der Mann, ist der Knick im Vergleich zu homogamen Paaren nicht so stark.

Single bleiben oder Mann mit niedrigerem Bildungsabschluss wählen?

„Wir sehen uns hier vorerst die Bildungshypogamie an, weil es aufgrund der Bildungsexpansion einfach mehr hoch ausgebildete Frauen als Männer gibt: Sie stehen immer häufiger vor der Entscheidung, Single zu bleiben oder einen Mann mit niedrigerem Bildungsabschluss zu wählen.“ Eine hypogame Konstellation umfasst nicht nur die über 30-jährige Doktoratsabsolventin, sondern auch junge Frauen mit Matura, die einen Mann mit Lehrabschluss heiraten. „Ein Viertel der Paare in Österreich, die gemeinsam Eltern werden, sind hypogam“, sagt Steiber.

Ihr Team will durch die Analyse der Registerdaten und aus Befragungsergebnissen derzeit kursierende Theorien überprüfen. So scheint es, dass eine Frau, die über höhere Bildung oder mehr Einkommen als ihr Mann verfügt, eine bessere Verhandlungsposition hat, wenn es um die Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit geht. Traditionelle Ungleichheiten sind in hypogamen Paaren daher geringer.

Die umgedrehten Verhältnisse führen in manchen Paaren aber auch zu Streit und Stress. Demnach lassen sich hypogame Paare öfter scheiden. „Das wurde in Österreich noch nicht überprüft. Es gibt aus anderen Ländern sogar Hinweise, dass es auf die nächste Generation Auswirkungen hat“, sagt Steiber. Das Neugeborene einer Frau, die Stress erfährt, weil sie zu Hause die Mehrverdienerin ist, hat demnach schlechtere Gesundheitswerte als das Neugeborene einer hoch gebildeten Frau in homogamer Beziehung.

Kriegen Paare weniger Kinder?

Eine offene Frage ist, ob hypogame Paare insgesamt weniger Kinder bekommen. „Lange Zeit hat die Forschung sich angesehen, ob die Bildung der Frau sich auf ihre Fertilität auswirkt. Nun hat man aber erkannt, dass man sich nicht Frauen, sondern Paare ansehen sollte: Welchen Effekt haben die Bildung und das Einkommen beider Partner und das mögliche Ungleichgewicht auf den Kinderwunsch und die Fertilität von Paaren?“, fragt Steiber.

In Österreich leben die meisten der hypogamen Paare in Städten, aber auch in ländlichen Regionen von Kärnten und der Steiermark: Auf dem Land gehen oft die Frauen weg zum Studieren. Wenn sie zurückkommen, entsteht das Ungleichgewicht, weil die Männer eher im Ort geblieben sind.

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