Song Contest

Song Contest: Die 16 Songs des zweiten Halbfinales in der Einzelkritik

Slowenien schickt mit der Band Joker Out etwas Gitarrenlastigeres ins Rennen - mit Erfolg.
Slowenien schickt mit der Band Joker Out etwas Gitarrenlastigeres ins Rennen - mit Erfolg.IMAGO/Cover-Images
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Der zweite Halbfinaltag des Song Contests nahm nur langsam Fahrt auf. Dänemark kämpfte mit den Tönen und wurde bestraft. Belohnt wurde Gruppen-Power: Zwei Bands und eine Familientruppe ziehen - teils überraschend - ins Finale ein.

Für Österreich war es ein erfolgreicher Donnerstagabend in Liverpool. Teya und Salena sangen sich souverän ins Song-Contest-Finale, das am Samstag stattfindet. Das Duo wurde seiner Favoritenrolle im Halbfinale damit gerecht. Die Konkurrenz blieb zahm. Vor allem die Bands brachten etwas Stimmung in der zweiten Hälfte.

Dänemark (1, ausgeschieden)

Reiley: Breaking My Heart

Die Bubi-Optik saß. Die Melodie allerdings nicht. Die vielen Sprünge zwischen Falsett und Bruststimme sind Reiley leider kaum gelungen. Reiley tendierte dazu, bei den luftigen, hohen Tönen zu überpowern. Das Resultat, die Töne waren teils zu hoch angesetzt. Ein gefährliches Spiel, so tiefe (und dennoch hohe) Falsett-Töne. Definitiv kein Song für die große Bühne. Das Lied hat zwar Mainstream-Radio-Potential mit seinen vocoder-artigen Chören und seinen wabernden Elektro-Beats und Stopps. Aber für einen Live-Act beim Song Contest ein offenbar undankbares Lied. Den jungen Färöer konnten auch seine Millionen Tiktok-Fans nicht ins Finale retten.

Armenien (2, im Finale)

Brunette: Future Lover

Ganz ruhig legte es auch Brunette an, jedoch genauso elektronisch mehrstimmig wie Reiley zu vor. Ihre Bühnenperformance bestand die erste Hälfte aus Liegen und Gestikulieren. Dann setzte der Beat ein und das Lied entwickelte sich in eine völlig andere Richtung - so wie die Plattform auf der sie stand. Ein Phänomen, dass man heuer beim Song Contest häufig zu sehen bekam, zwei unzusammenhängende Teile bilden ein Lied. Im Schlussdrittel kam dann noch obendrein eine durchaus gut umgesetzte Tanz-Performance.

Und dann wurde es schräg bei Brunette mit "Future Lover".
Und dann wurde es schräg bei Brunette mit "Future Lover".REUTERS

Rumänien (3, ausgeschieden)

Theodor Andrei: D.G.T. (Off and On)

Die etwas peinliche Show, die man im Video des Songs auf Youtube zu sehen bekommt, hat man sich in Rumänien dankenswerterweise noch einmal anders überlegt. So hat man Theodor Andrei doch etwas seine Würde als Musiker gelassen. Er darf an der Akustik-Gitarre beginnen, ganz allein. Eines der wenigen Lieder im Sechs-Achtel-Takt übrigens. Und dann nimmt das Lied Tempo auf - und als Zuhörer verliert man einmal mehr das Interesse. Einmal mehr übrigens auch ein pinkes Outfit, aber keine zwingende Melodie. Stimmlich fischte Andrei bei rockigeren Klängen und zeigte allerlei Effekte. Verzerrende Distortion etwa - und das äußerst sicher. Beim Falsett - siehe Dänemark - gab's allerdings ebenfalls Probleme.

Estland (4, im Finale)

Alika: Bridges

Ein selbstspielendes Klavier zeugt von Song-Contest-Ironie. Normalerweise ist das ja so: Die Sängerin spielt zu Beginn eines Lieder scheinbar Klavier und steht dann später auf und entfernt sich vom Instrument, das jedoch - logischerweise - weiterhin im Backingtrack zu hören ist. Bei „Bridges“ darf das Klavier - wie von Geisterhand werden die Tasten gedrückt - gleich zu Beginn alleine spielen. Doch Alika greift dann doch noch einmal in die Tasten - für sieben Sekunden. Das Lied selbst bleibt seiner traurigen Adele-Melancholie treu. Allerdings überzeugt Alika mit etwas leichterer, sanfterem Timbre. Im Gegensatz zu Adele-Liedern fehlt hier allerdings die Hookline, jener Teil mit prägnanter Melodie, der einen in seinen Bann zieht. Kein Beat, kein hörbarer Refrain. Dann muss es die Bridge des Liedes erledigen - der Teil vor dem letzten Refrain, wo man Alika einige höhere Passagen für beeindruckende Vocals hineingeschrieben hat. Eine tolle Stimme mit einem zu langweiligen Lied.

Belgien (5, im Finale)

Gustaph: Because Of You

Endlich etwas Beat. Endlich etwas mit Hut. Das hat man zwar alles schon in den 1990ern gehört (und den Disco-Beat schon Jahrzehnte davor), aber macht nichts. Freunde und Freundinnen des sogenannten „Voguing“ kommen hier auf ihre Kosten. Das ist dieses Vor-dem-Gesicht-Herumfuchteln. Könnte übrigens auch ein Lied von Cher sein. Schön auch, dass nach den ersten vier Jungspunden auch mal Erwachsene auf die Bühne dürfen. Und Gustaph singt - unterstützt von drei Live-Backing-Sängerinnen - sauber, angenehm dosiert und vor allem richtig, das entspannt wiederum auch beim Zuhören und Zusehen. Selbst der Falsett-Ton saß, diesmal war's aber auch ein hoher mit Power.

Gustaph zeigt einen seiner vielen Hüte.
Gustaph zeigt einen seiner vielen Hüte.REUTERS

Zypern (6, im Finale)

Andrew Lambrou: Break A Broken Heart

Der Donnerstag war offenbar der Tag der Falsett-Melodien. Andrew Lambrou hat man aber genug Gelegenheit gegeben, auch seine Power auszusingen. Und die Kopfstimm-"Uh“ waren gut in den Backingtrack eingefügt. Später bei den „tieferen“ Falsett-Tönen schlichen sich dann auch bei ihm ein paar Unsicherheiten ein. Ansonsten war der projizierte Regen noch das Beeindruckendste am zyprischen Beitrag. Wenn Sam Smith den Song in die Hände bekommen hätte, hätte er womöglich noch etwas Außergewöhnliches gemacht. Solider Power-Auftritt.

Island (7, ausgeschieden)

Diljá: Power

Wie man Gesang sicher über die Bühne bringt, zeig Diljá. Eine nette Refrain-Linie, die hängen bleibt, ansonsten ein etwas verwaschener Beat-Brei. Aber ausdrucksstarke Performance mit wirklich starker Stimme. Man merkt, dass sich die Isländerin in ihrem Songs wirklich gut zurechtfindet - und sich auch traut, die Grenzen ihrer Stimme auszuloten - und das ganz allein auf der Bühne, jedoch mit starker Bühnenpräsenz.

Griechenland (8, ausgeschieden)

Victor Vernicos: What They Say

Der jüngste Teilnehmer dieses Jahres glänzt mit dem leicht verwaschenen Timbre, das derzeit so en vogue ist im Pop. Textverständlichkeit steht auf einem anderen Blatt. Seine Energie konnte der wild herumzappelnde Victor Vernicos kaum bändigen. Aber schöner Song-Aufbau (Vernicos hat den Song selbst geschrieben), die Bass-Drum vom Schlagzeug hat etwas die Akustik-Gitarre übertönt. Ed Sheeran hätte daraus einen Welthit gemacht.

Polen (9, im Finale)

Blanka: Solo

Polen mit ungewohnt sommerlichen Vibes, und einem Style wie aus einer Werbung für einen Bademodenhersteller. Die Background-Tänzer gaben Vollgas. Blanka kam dagegen eher ein wenig schaumgebremst daher. Aber vielleicht hat sie sich die Energie für ihren 16-taktigen Tanz-Teil aufgehoben. Kann man machen. Auf den Song hat man jedenfalls nicht gewartet, der darf aber gerne in der Rooftop-Bar bei Cocktail und Sommersonne laufen.

Blanka schaffte mit ihrem "Solo" den Einzug ins Finale.
Blanka schaffte mit ihrem "Solo" den Einzug ins Finale.APA/AFP/PAUL ELLIS

Slowenien (10, im Finale)

Joker Out: Carpe Diem

Mit Bands ist das ja immer so eine Sache. Manchmal stehen die Kollegen eher unnütz an ihren quasi unnötigen Instrumenten herum. Nur wenige schaffen es, ein bisserl Band-Feeling aufkommen zu lassen. Måneskin vor zwei Jahren zum Beispiel. Davon sind Joker Out zwar von der Musik-Härte etwas entfernt, aber der gitarrenlastige Song nimmt doch ziemlich Fahrt auf. Und der Sänger macht seine Aufgabe solide, wirkt in der Gruppe auch recht groovig-entspannt. Wenn man die „Killers“ mag, mag man auch den Song „Carpe Diem“.

Georgien (11, ausgeschieden)

Iru: Echo

Georgien lässt bei „Echo“ keine Zeit liegen. Volle Trommel-Action zu Beginn - diesmal nur in der Musik, nicht auf der Bühne -, gefolgt von einer ruhigen Strophe. Etwas Folklore-Beat und -Gesangslinien. Iru singt auch die schnellen, anscheinend traditionelleren Silben im Mittelteil äußerst sicher. Vor allem zeigt sie eine an dem Abend selten gehörte stimmliche Flexibilität: von klassischerer Stimmfarbe zu kräftigen Beltingtönen und alles dazwischen. Doch das Lied ging dann doch zu wenig ins Ohr - und eine gute Stimme alleine genügt nicht für den Finaleinzug.

San Marino (12, ausgeschieden)

Piqued Jacks: Like An Animal

Nochmal eine Band. Auch eher rockig, aber mit eher sphärischen Synthesizer-Einsprengseln, auch wenn der Refrain von der Gitarre dominiert ist. In den Wettquoten sah es für Piqued Jacks schlecht aus, dabei war es eine durchaus powervolle Performance - hätte sich der Sänger nicht mit den Schlusstönen etwas zu viel vorgenommen. Da lief alles gut - und dann schießt er dreimal auf den langen hohen Tönen knapp drüber mit der Intonation. Oft ein Zeichen von Nervosität - im Sinne von: zu viel Energie.

Österreich (13, im Finale)

Teya & Salena: Who The Hell Is Edgar?

Großes Lob für Teya und Salena - diese Zweistimmigkeiten unter Druck, so genau hinzubekommen! Der Saal war vom ersten Beat an laut klatschend mit dabei. Und beide Sängerinnen konnten in den kurzen Solo-Passagen auch ihre großartigen Stimmen präsentieren - vor allem gegen Ende. Diese haben sie nämlich beide, dürfen sie bei „Who The Hell Is Edgar“ allerdings nicht allzu viel ins Scheinwerferlicht bringen.

Spannend zu beobachten, welche Teile des Tracks sie selber singen „müssen“. Und welche Teile vom Band kommen. Bei den „O Mio padre"-Sequenzen waren sie ziemlich auf sich alleine gestellt. Am Anfang ohne Probleme, am Ende gab es nur kurz eine Unsicherheit zu hören. Aber da war die Stimmung bereits am Kochen. Prinzipiell: Großartig gelöst.

Warum man sich nicht dafür entschieden, die Original-Choreo aus dem Video prominenter einzubinden?

Albanien (14, im Finale)

Albina & Familja Kelmendi: Duje

Balkan-Streicher, heulender Gesang, treibender Beat. Albanien setzt heuer auf Familienpower. Toller mehrstimmiger Gesang, mit typischem Timbre und Balkan-Harmonien. Auch der „klagende“ Gesang von Solistin Albina durchaus beeindruckend, allerdings nichts für einen lauen Sommerabend. Da ist der Soundtrack für die wirklich dramatischen Tage des Lebens. Gehört zum Songcontest wie auf LED-Wänden liegende Solistinnen in Balladen, die Windmaschine und Haar-Choreografien. Aber insgesamt wirkt der Beitrag aus Albanien aus der Zeit gefallen.

Albina & Familja Kelmendi sorgten für die Überraschung des Abends.
Albina & Familja Kelmendi sorgten für die Überraschung des Abends.REUTERS

Litauen (15, im Finale)

Monika Linkytė: Stay

Schöne Pop-Ballade mit afrikanischem Vibe in den Harmonien - dargeboten von Monika Linkytė mit interessanter Stimme. Schön, dass die vier großartigen Background-Sängerinnen auch auf die Bühne durften. Tolle Gospel-Harmonien. Da wäre es aber nicht notwendig, die letzten 30 Sekunden so hohe Töne darüberzulegen - auch wenn man seine Stimmkraft zeigen will.

Australien (16, im Finale)

Voyager: Promise

Das Umhängekeyboard (Keytar) liegt am Beifahrersitz bereit, und lässt ahnen, in welche Richtung es geht. Die 1980er lassen grüßen. Der Drummer hätte live viel zu tun. Für das Saalpublikum gibt es mit den „Oh-oh"-Teilen die Chance, mitzusingen. Und gegen Ende hin hat man in der Musikproduktion noch einmal alle Hebel in Bewegung gesetzt: Röhrende Gitarren, schwebende Synthesizer, treibende Beats. Da geht's so richtig rund. Kein Wunder, dass man sich für „Promise“ als Schlussnummer des Abends entschieden hat. Und kein Wunder, dass man einige Anrufer von sich überzeugen konnte.

Der Voyager-Sänger zückt die Keytar im Grande Finale.
Der Voyager-Sänger zückt die Keytar im Grande Finale.REUTERS

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