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Podiumsdiskussion

Wie geht es dem Wirtschaftsstandort?

Mark Frost, Hays Österreich, Fred Mahringer, A1, Silvia Angelo, ÖBB-Infrastruktur AG, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher und Michael Köttritsch, „Die Presse“ (v. l.).
Mark Frost, Hays Österreich, Fred Mahringer, A1, Silvia Angelo, ÖBB-Infrastruktur AG, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher und Michael Köttritsch, „Die Presse“ (v. l.).Peroutka
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Debatte. Arbeitskräftemangel, digitale Transformation, Nachhaltigkeit – wie kann Österreich trotz unzähliger Herausforderungen weiterhin eines der wirtschaftsstärksten Länder Europas bleiben? Eine hochkarätige Diskussionsrunde war um Antworten bemüht.

Das aktuelle Standortradar des Beratungsunternehmens Deloitte reiht Österreich als europäischen Wirtschaftsstandort auf Platz zehn. Doch wie ist es um die Lage im Land wirklich bestellt? Diese entscheidende Frage warf Michael Köttritsch, Ressortleiter Management und Karriere bei „Die Presse“, am vergangenen Mittwoch bei der Podiumsdiskussion von Kapazundern aus der Wirtschaft in den Räumlichkeiten des globalen Anbieters im Specialist-Workforce-Management Hays in die Runde. Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher, Silvia Angelo, Mitglied des Vorstands der ÖBB-Infrastruktur AG, Fred Mahringer, Senior Director Human Resources A1, und Mark Frost, Geschäftsführer von Hays Österreich, stellten sich brennenden Fragen.

„Man darf Rankings nicht überbewerten, denn andere sehen Österreich weiter vorne. Es gibt vieles, das Österreich gut dastehen lässt, aber auch Herausforderungen, die in anderen europäischen Ländern ähnlich gelagert sind“, relativiert Minister Kocher die Deloitte-Platzierung. „In Österreich gibt es im Moment eine hohe Investitionsbereitschaft, auch von ausländischen Unternehmen. Es gibt viele Vorteile wie eine hohe Forschungsquote und noch verfügbare Fachkräfte. Natürlich sehen wir Herausforderungen bei der Demografie, bei der Transformation, die als Chance und nicht als Belastung betrachtet werden muss, und bei der Energieabhängigkeit und den hohen Preisen. Diese Herausforderungen gilt es zu bewältigen. Österreich ist trotz hoher Löhne, Steuern und nicht ganz einfach zu handhabender Rahmenbedingungen ein interessanter Standort.“

Zu den Vorteilen zählt die Ausbildung von Fachkräften, das Forschungsumfeld, die Forschungsquote und -prämie. „Viele Unternehmen sind in Österreich tätig, weil sie Forschung und Produktion sehr gut verbinden können“, so Kocher. Der Fachkräftemangel sei ein Ergebnis der diversen Krisen, denn die Erholung nach Corona wäre wesentlich rascher als erwartet eingetreten. Gleichzeitig hätte die Demografie mit ihrer Pensionierungswelle zugeschlagen und durch die Digitalisierung fielen keine Arbeitsplätze weg, sondern es wurden zusätzliche geschaffen, analysiert Kocher: „Innerhalb von ein paar Monaten hat sich die Lage völlig gedreht.“

Hohes Potenzial bei Frauen

Wie kann es in der Praxis gelingen, Arbeitskräfteressourcen zu mobilisieren? „Bei uns kommt die allgemeine demografische Entwicklung zum Tragen, aber auch, dass die Menschen nicht mehr so früh in Pension gehen“, schildert Silvia Angelo aus der ÖBB-Praxis. „Wir haben im gesamten ÖBB-Konzern rund 42.000 Beschäftigte. Viele Tätigkeiten, wie im Verschub, sind dabei körperlich sehr fordernd. Es ist die ewige Herausforderung, wie man mit Menschen umgeht, die schwere körperliche Arbeit verrichten. Sie kommen sehr rasch an die Grenze ihrer Belastbarkeit.“ Angelo ortet die Antwort in einer größeren Flexibilität: „Wir versuchen, die Menschen dann innerhalb des Konzerns an anderer Stelle einzusetzen. Es stellt sich die Frage, wie man Potenziale, wie Frauen, aktivieren und das Fachkräfteangebot ausbauen kann und wie Unternehmen für Menschen, die nicht aus Europa stammen, attraktiv sein können. Auch die ÖBB müssen als Unternehmen offener werden.“

Fred Mahringer sieht die Pflege von bestehenden Mitarbeitern und die Mobilisierung von Frauen als Wege aus der Fachkräftekrise. „Es lohnt sich, mehr auf die eigenen Mitarbeiter zu schauen und in sie zu investieren. Mitarbeiterbindung ist das neue Recruiting. Das ergibt weniger Fluktuation“, weiß er aus langjähriger Erfahrung. „Wir fördern Re- und Upskilling, damit Mitarbeiter neue Jobs übernehmen können. Das ist vor allem bei der Digitalisierung ein Thema und es gibt Kollegen, die im Alter von 52 Jahren eine ganz neue Berufslaufbahn starten. Wir haben bereits 26 Prozent Frauen im Technikbereich, aber wir haben vor allem bei Frauen in der Führungsetage noch einiges zu tun.“ Über das Interesse von zukünftigen Mitarbeitern kann sich Mahringer nicht beklagen. Das Lehrlingsprogramm funktioniere sehr gut, auf 60 ausgeschriebene Lehrstellen für den Herbst kommen 1600 Bewerbungen.

Vor allem Specialist-Recruiter haben es in Zeiten von Fachkräftemangel schwer, wobei gesetzliche Hürden, wie bei der Vergabe von Arbeitsvisa, eine maßgebliche Rolle spielen. „Wir sind stark im Bereich Ingenieure, IT- und Life-Sciences-Spezialisten und Finance tätig, und dafür Fachkräfte zu finden, ist nicht einfach“, so Mark Frost, seit dem Jahr 2007 Geschäftsführer von Hays Österreich. „Wir haben zwei Geschäftsmodelle. Contracting von Freiberuflern für einzelne Projekte und Festanstellungen. Freiberufler zu finden, ist deutlich einfacher, wenn man nach Kandidaten aus der EU sucht.“ Visaanfragen aus Drittstaaten wie z. B. UK würden in Österreich öfter abgewiesen als in anderen Ländern, und es könne bis zu sechs Monate dauern, bis ein Visum erteilt wird – oder auch nicht.

„Das ist natürlich problematisch, wenn ein Unternehmen dringend eine Stelle besetzen muss und am Ende das Visum für einen Kandidaten nicht bewilligt wird.“ Die Anerkennung von Studien ist in vielen westlichen Ländern zudem ein Problem und Fachkräfte werden unter dem Niveau ihrer Qualifikationen eingesetzt. „Dadurch können im IT-Sektor tausende Stellen nicht besetzt und Projekte nicht umgesetzt werden“, so Frost.

Die Zuwanderung von Fachkräften in Mangelberufe sollte die Rot-Weiß-Rot-Card anschieben, für die seit kurzem neue, vereinfachte Regelungen gelten. Doch bei der Mangelberufsliste sieht der Minister Bedarf zur Nachschärfung. Die Liste umfasst derzeit knapp 100 Mangelberufseinträge in Ausbildungsberufen. Berufsfahrer oder Lokführer werden nicht erfasst, da das keine Ausbildungsberufe im klassischen Sinn sind. Kocher: „Für Bus- und Lkw-Unternehmen, Frächter, Spediteure und für die ÖBB ist die Mangelberufsliste nicht optimal. Die Rot-Weiß-Rot-Card ist für eine gewisse qualifizierte Zuwanderung gedacht. Hier braucht es sicher eine Vereinfachung. Aber wir sehen seit der Reform eine 50-Prozent-Steigerung bei Bewilligungen.“

Für die ÖBB spiele, so Silvia Angelo, die Rot-Weiß-Rot-Card keine große Rolle. „Unsere Jobs stehen nicht auf der Mangelberufsliste. Wir sind ein sehr großes Ausbildungsunternehmen und wir bilden 75 Prozent unserer Mitarbeiter selbst aus. Eine Fahrdienstleiterin, eine Verschieberin und andere eisenbahnspezifische Berufe bekomme ich nicht auf dem freien Markt“, begründet Angelo.

Motivation für Vollzeitstellen

Oft wird moniert, dass der Faktor Arbeit in Österreich zu teuer und Teilzeitarbeit zu attraktiv sei. „Das ist derzeit eine schwierige Kombination“, weiß Mahringer, „Es gibt einen überhitzten Arbeitsmarkt und eine extrem hohe Inflation. Bei uns liegen die Personalkosten bei 50 Prozent der Gesamtkosten, und der Druck wird durch die hohen Kollektivvertragsabschlüsse weiter enorm wachsen.“ Minister Kocher sieht Österreich auf dem richtigen Weg, doch der Staat habe bei einer finanziellen Entlastung des Faktors Arbeit nur geringen Spielraum: „Ich hoffe, dass in Zukunft nach der Abschaffung der kalten Progression und der ökosozialen Steuerreform noch weitere Schritte zur Entlastung möglich sind, aber ein Prozent weniger Lohnkosten bedeutet für den Staat etliche Milliarden weniger an Einnahmen.“ Der Effekt sei, so Kocher, im Vergleich zu den Lohnerhöhungen bei Kollektivvertragsabschlüssen von sieben und mehr Prozent in der Relation sehr gering.

Neue Impulse braucht es

Doch wie können Impulse aussehen, die Österreich als Wirtschaftsstandort stärken? Für Silvia Angelo eine einfache Frage: „Es braucht einen starken produzierenden Bereich mit hoch qualifizierten Menschen, die hochqualitative Produkte herstellen. Damit möchte ich den Dienstleistungsbereich aber nicht schmälern. Es braucht eine Vorreiterstellung in gewissen Bereichen, es müssen Innovations- und Wachstumsimpulse von uns ausgehen.“ Fred Mahringer wünscht sich einen Paradigmenwechsel – denn Arbeit darf kein notwendiges Übel sein. „Ich würde mir wünschen, dass man über das Thema grundsätzlich diskutiert. Arbeit wird noch immer als Austauschmodell gesehen, für eine Arbeitsleistung gibt es Schmerzensgeld“, so der A1-HR-Direktor. „Weshalb kann Arbeit nicht etwas Positives sein? Arbeit bietet Kollegen, Netzwerk, Freundschaften, Struktur, Sicherheit und nicht Leiden.“

Minister Kocher sieht Grund zur Hoffnung, denn Österreich steht international gar nicht so schlecht da. „Es gibt gewisse Bereiche, in denen wir Weltmarktführer sind, in der Abwassertechnik und beim Abwasserrecycling. Die meisten Solarpaneele, die auf der Welt installiert werden, verfügen über einen Wechselrichter aus Österreich“, so Kochers positive Perspektive. „Das zeigt, dass wir gute Chancen haben und dass wir die Transformation als Chance begreifen müssen.“

www.hays.at

Information

Die Podiumsdiskussion fand auf Einladung von „Die Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von dem globalen Anbieter im Specialist-Workforce-Management Hays.


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