Höchstgericht

Abgasskandal: Auch der Hersteller haftet für Rückabwicklung

Das Update hat laut OGH den Schaden nicht behoben. VW sieht das anders.
Das Update hat laut OGH den Schaden nicht behoben. VW sieht das anders. (c) APA/DPA/JULIAN STRATENSCHULTE (JULIAN STRATENSCHULTE)
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Nicht nur der jeweilige Fahrzeughändler, sondern auch VW haftet gegenüber geschädigten Autokäufern, entschied der OGH. Das Software-Update habe den Schaden nicht behoben.

Wien/Wolfsburg. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat im VW-Abgasskandal zwei richtungweisende Entscheidungen gefällt. Demnach kann der Käufer eines VW mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht nur vom Autohändler, sondern auch vom Hersteller eine Rückabwicklung verlangen. Gegen Rückgabe des Autos erhält er den Kaufpreis abzüglich eines Benützungsentgelts zurück.

Sofern die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung eine Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit bewirkt – weil z. B. die Typengenehmigung infrage gestellt ist –, könne der Autohersteller auch dann ersatzpflichtig werden, wenn er in keinem Vertragsverhältnis mit dem Käufer steht, entschied der OGH (10 Ob 2/23a, 10 Ob 16/23k). Auf Basis der Rechtsprechung des EuGH in Sachen Mercedes-Benz (C-100/21) bejahte der OGH eine Haftung des Herstellers für den durch die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung entstandenen Schaden. Ein Schadenseintritt wäre lediglich dann zu verneinen, wenn das Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Käufers entspricht.

„Ansprüche nicht verjährt“

Das muss in einem der beiden Fälle noch die erste Instanz klären. Im anderen Fall verpflichtete der OGH nun auch VW (in Solidarhaftung mit dem Händler) zum Ersatz des Kaufpreises unter Anrechnung des Nutzungsvorteils. Denn das angebotene Software-Update habe ebenfalls eine unzulässige Abschalteinrichtung („Thermofenster“) enthalten.

Laut dem Anwalt Michael Poduschka, der den klagenden Autokäufer vertritt, ist diese Entscheidung nun „der ,Löser‘ für sämtliche Verfahren“ wegen des ursprünglichen Skandalmotors EA189, die Ansprüche seien auch noch nicht verjährt. Auch die Auswirkungen auf alle anderen vom Abgasskandal betroffenen Automarken seien enorm. Ähnlich sieht es Rechtsanwalt Claus Goldenstein: „Hunderttausende Österreicher können von dieser Entscheidung profitieren und nun Entschädigungsansprüche durchsetzen“, schreibt er in einer Aussendung.

Falsche Feststellungen?

VW argumentiert indes, der Mangel bei der Abgasreinigung sei durch die neue Software saniert worden. Der OGH habe seiner Entscheidung falsche Feststellungen über das Thermofenster in der neuen Software zugrunde gelegt. Das Erstgericht habe den Temperaturbereich, in dem die Abgasreinigung voll funktioniert, zu eng angenommen.

Freilich „präzisierte“ VW seine Angaben dazu erst im Nachhinein. VW meint nun, der OGH-Entscheid habe nur Auswirkungen auf „eine zweistellige Anzahl an Verfahren“ mit vergleichbaren, „unzutreffenden und nicht mehr korrigierbaren Tatsachenfeststellungen“ in der ersten Instanz – jedoch nicht auf die übrigen fast 1500 Verfahren.

Poduschka sieht das anders. Aus seiner Sicht müsste VW für jedes Fahrzeug nachweisen, wo genau das Thermofenster liegt. Peter Kolba, Chefjurist des Verbraucherschutzvereins, spricht von einem „Meilenstein“ auch für die vom VSV in Deutschland geführten über 400 Einzelklagen gegen VW, weil bei diesen österreichisches Recht anzuwenden ist.

(cka/APA)

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