Die Schwedin Loreen siegte beim Song Contest – zum zweiten Mal. Die österreichischen Teilnehmerinnen Teya & Salena kamen nicht in die Top Ten. Russland bombardierte kurz vor dem Auftritt der ukrainischen Teilnehmer deren Heimatstadt.
Die Schwedin Loreen ist ihrem Favoritenstatus gerecht geworden: Mit ihrem Song „Tattoo“ setzte sie sich gegen die 25 anderen Teilnehmer beim Eurovision Song Contest 2023 durch und trug bei der imposanten TV-Show am Samstagabend den Sieg davon. Bei ihrem Auftritt stimmte alles: Die große Stimme, die exzentrische Performance, bei dem keine Zweifel aufkamen, dass sie alles gab. Das braunlederne Kostüm und die überlangen Fingernägel, die sich ins Gedächtnis kratzen. Die bedrohlich wirkende Bühne aus zwei Plattformen, zwischen der sich Loreen erst räkelte, um sich dann aus ihr zu befreien.
Einen Wermutstropfen gibt es für die Zweifachsiegerin Loreen: Ihr Beitrag „Tattoo“ wird immer mit „Euphoria“, ihrem Siegerlied von 2012, verglichen werden und er schneidet dabei schlechter ab. „Tattoo“ wirkt weniger frisch, abgeklärter, trauriger. Sie singt darin darüber, dass sie an der Liebe festhalten will, auch wenn sie weh tut, eine „toxische Beziehung“. „Euphoria“ war dagegen lebensbejahender und eingängiger.
Platz 15 für Teya & Salena aus Österreich
Für Österreich verlief der Abend etwas enttäuschend: Teya & Salena hatten sich am Donnerstagabend mit ihrer satirischen Abrechnung mir der Musikindustrie „Who the hell is Edgar?“ souverän ins Finale gesungen. Zwischenzeitlich war dem Duo ein Platz in den Top Ten zugetraut worden, gar eine minimale Chance auf den Sieg. Am Samstag hatten sie den undankbaren ersten Startplatz und wirkten nervöser als im Halbfinale. Am Ende wurde es Platz 15. Nur 16 Punkte gab es vom Publikum insgesamt. Immerhin: 12 Punkte gab es von der Fachjury aus Belgien.
Finnland kam auf Platz zwei
Loreens Herausforderer im Favoritenrennen war der Finne Käärijä mit „Cha Cha Cha“. Sein auf Finnisch gesungener Song ist wohl eher wenig radiotauglich. Zuerst klingt er nach billigem Neunziger-Jahre-Techno, aber der Song wandelt sich und wird erst rockig, ehe er mit einer Wendung Richtung Pop überrascht. Das „Cha Cha Cha“ des Refrains ist gut mitsing- oder mitbrüllbar. Beeindruckend auch die Live-Performance: Käärijä trat mit giftgrüne Ärmel, nackter, nicht allzu durchtrainierter Bauch und züngelte gern Richtung Kamera. Er landete auf Platz zwei.
Höchst souverän war der Auftritt der Drittplatzierten, Noa Kirel aus Israel. Ihr Selbstermächtigung-Song „Unicorn“ ist 1A-Pop. Kirel selbst ist Vollprofi und ein großer Star in ihrem Heimatland. Live zeigte sie keine Unsicherheit, auch nicht in ihrer Breakdance-Einlage zum Finale. Am Ende reichte es für Platz drei.
Auch Italien kam beim Song-Contest-Publikum an
Gut bei Jury und Publikum kam der Italiener Marco Mengoni in seinem Glitzer-Ruderleiberl an. In der großen Ballade „Due Vite" sang der etablierte Star in seiner Heimat über das Leben, das man führen muss und das, was man leben will. Dramatisch. Wenig sah man leider von der interessanten Performance seiner Tänzer, die sich von einer Treppe auf ein Trampolin fallen ließen und dann wieder auf der Stufe landeten. Platz vier.
Imposant war jedenfalls das Live-Publikum in Liverpool: sehr euphorisch und wahnsinnig laut. Möglicherweise lag das auch daran, dass dieser der erste ESC seit 2019 war, der nicht durch die Corona-Pandemie eingeschränkt war.
In Liverpool ausgetragen wurde der Song Contest, weil die European Broacasting Union sich dagegen aussprach, ihn im Vorjahres-Siegerland Ukraine stattfinden zu lassen. Das wäre auch unrealistisch gewesen. Die BBC wob die Ukraine sensibel in die Shows ein. In den Videoclips zwischen den Beiträgen wurden die Ukraine, Großbritannien und daa jeweilige Teilnehmerland kombiniert. Als eine der drei Moderatorinnen fungierte auch die ukrainische Sängerin Julija Sanina (neben Alesha Dixon, Hannah Waddingham und Graham Norton).
Der Krieg im Hintergrund
Der Krieg in der Ukraine wurde in der Show am Samstag nicht dezidiert angesprochen – der Song Contest will unpolitisch sein und hat deshalb auch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij nicht auftreten lassen -, aber er bildete den Hintergrund vieler Songs. „I don't wanna be a soldier“, sang Remo Forrer aus der Schweiz in „Watergun“ (Platz 20).
In „My Sister's Crown“ von dem Vesna aus Tschechien ging es darum, dass der kleinen Schwester die Krone nicht entrissen werden dürfe. Gesungen wurde die moderne Folklore-Interpretation in mehreren Sprachen darunter Ukrainische. Dazu ließ das Frauen-Sextett ihre überlangen Zöpfe schwingen wie Lassos. (Platz zehn)
Am deutlichsten war der Hinweis auf den Krieg bei Let 3 aus Kroatien mit „Mama ŠČ!“. Die satirische Band, quasi die Hinichen aus Kroatien, sprach oder sang in militärischen Mänteln über Mama (Russland), die einen Traktor kauft (gemeint war offenbar Belarus) und einen Trottel (wen, kann man sich denken) liebt. (Platz 13)
Heimatort der ukrainischen Teilnehmer bombardiert
Dezent Thema war der Krieg im ukrainischen Beitrag Ukraine: „Don't care what you say/ Don't care how you feel/ Get out of my way“, heißt es in der Elektro-Pop-Nummer „Heart of Steel“. Die visuell coole Performance war in Gelb und Blau gehalten. Der Sänger Jeffery Augustus Kenny wirkte anfangs stimmlich etwas neben der Spur. Das mag mit Ereignissen außerhalb des Wettbewerbs zu tun haben: Kurz vor dem Auftritt des Duos bombardierte Russland die Heimatstadt des Duos Ternopil in der Westukraine.
Auch „Heart of Steel“ hatte im Vorfeld zu den Favoriten gezählt. Am Ende gab es Platz sechs.
Insgesamt war es ein starker Wettbewerb mit wenigen Beiträgen, die beim ESC funktionieren mögen, aber nicht im Radio. Wenig Spannung gab es heuer beim traditionellen Punkte-Durchsagen. Schon nach der Bekanntgabe der Jury-Punkte lag Schweden beinahe uneinholbar vorne. Das Publikum tat sein Übriges.
Die Ergebnisse beim Song Contest 2023
- Schweden, Loreen – Tattoo – 583 Punkte
- Finnland – Käärijä – Cha Cha Cha – 526
- Israel, Noa Kirel – Unicorn – 362
- Italen – Marco Mengoni – Due Vite – 350
- Norwegen – Alessandra – Queen of Kings – 268
- Ukraine – TVORCHI – Heart of Steel – 243
- Belgien – Gustaph – Because of You – 182
- Estland, Alika – Bridges – 168
- Australien – Voyager – Promise – 151
- Tschechien – Vesna – My Sister's Crown – 129
- Litauen, Monika Linkytė – Stay – 127
- Zypern– Andrew Lambrou – Break a Broken Heart – 126
- Kroatien – Let 3 – Mama ŠČ – 123
- Armenien – Brunette – Future Lover – 122
- Österreich – Teya & Salena – Who The Hell is Edgar? – 120
- Frankreich – La Zarra – Évidemment – 104
- Spanien – Blanca Paloma – Eaea – 100
- Moldau – Pasha Parfeni – Soarele si Luna – 96
- Polen – Blanka – Solo – 93
- Schweiz – Remo Forrer – Watergun – 92
- Slowenien – Joker Out – Carpe Diem – 78
- Albanien – Albina & Familja Kelmendi – Duje – 76
- Portugal – Mimicat – Ai Coração – 59
- Serbien – Luke Black – Samo Mi Se Spava – 30
- Großbritannien – Mae Muller – I Wrote A Song – 24
- Deutschland – Lord of the Lost – Blood & Glitter - 18