Staatsoper

Puccinis "Tosca" mit einem Cavaradossi in Topform

Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
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Piotr Beczala überstrahlte einen sonst sehr mäßig überzeugend besetzten Repertoireabend in der Wiener Staatsoper.

„Tosca“, dritter Akt. Ein beglücktes Raunen geht durch den Zuschauerraum, als sich der Vorhang öffnet. Viele der Besucher sitzen offenbar zum ersten Mal in diesem Wiener Inszenierungshit seit 1958, der an diesem Abend seine unglaubliche 640. Reprise erlebt. Man schaut auf die Plattform der Engelsburg und in die Sterne am römischen Nachthimmel.

Als der bald füsilierte Cavaradossi seiner Tosca den Abschiedsbrief schreiben möchten, steigt noch einmal melancholisch die Melodie der beiden aus den Celli. Dann stimmt die Klarinette betörend, überirdisch schön den letzten Liebesgesang Cavaradossis an. „E luce van le stelle“ – und Piotr Beczala singt in Topform tatsächlich so, als gäbe es kein Morgen mehr. Da leuchtet sein geschmeidiger Tenor mit den Sternen um die Wette, butterweich mit Kern, saftig schmelzend, dass einem das Herz aufgeht. Ja! So geht „Tosca“! Das Publikum tobt und erklatscht sich ein Encore.

Beczalas strahlende „Vittoria"-Rufe

Wieder hebt die Klarinette an, und es ist rührend zu erleben, wie Maestro Giampaolo Bisanti versucht, Daniel Ottensamer seine Phrasen vorzudirigieren. Er ist ein recht bemühter Dirigent, der den Abend sicher über die Runden bringt. Es ist sein erstes „Tosca“-Dirigat am Haus, weshalb der erste Akt noch ein klein wenig nach einem Get-together klingt. Aber spätestens im Palazzo Farnese sind Dirigent und Musiker auf gleicher Temperatur. Das Staatsopernorchester ist in Puccinis Rom ohnehin zu Hause. So wie auch Piotr Beczala, der von Beginn, von seinem „Recondita armonia“, an nichts verschenkt und mit seinen strahlenden „Vittoria“-Rufen selbst Maestro Bisanti zu überraschen scheint.

Die anderen? Bryn Terfel hat mit seinem walisischen Kyrie Eleison für King Charles III. in Westminster Abbey jüngst mehr Eindruck hinterlassen als mit Scarpias Te Deum in der Wiener Sant’Andrea della Valle-Kulisse. Dazu kommt Maria Agrestas erste Staatsopern-Tosca, deren auffälligstes Ausdrucksmittel bei „Vissi d’arte“ Irritationen in Höhe und Atem sind. Ein recht müde seine Töne kauender Polizeichef Scarpia trifft auf eine in Lebens-, Liebes- und Stimmangelegenheiten das Format ihrer berühmten Kollegin Floria Tosca suchenden Maria Agresta.

Fazit: ein herzlich spannungsloser Schlagabtausch im Palazzo Farnese, so dass man sich am Ende vor dem erdolchten Scarpia gemeinsam mit Tosca fragen muss: „Und vor dem zitterte ganz Rom“? Zuletzt ein Wunsch an die Requisiteure der Staatsoper: Den Ministranten in Sant’Andrea della Valle bitte wieder ein bisschen Weihrauch in die Fässchen stecken. Das garantiert „Tosca“-Stimmung – unter allen Bedingungen.

(APA)

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