Rede bei Konferenz

Schallenberg: Wir "können Putin in gewisser Weise dankbar sein"

Archivbild von Außenminister Alexander Schallenberg.
Archivbild von Außenminister Alexander Schallenberg.IMAGO/SEPA.Media
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Die Europäer seien durch den Krieg in der Ukraine aus ihren "Tagträumen gerissen“ worden, sagte der österreichische Außenminister beim „Time to Decide Europe Summit“ in Wien. Die Westbalkan-Erweiterung der EU sei der „Lackmustest“ für die Union.

Der Westen kann dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nach Ansicht von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) "in gewisser Weise dankbar sein". "Er hat uns aus unseren Tagträumen gerissen und zurück in die Geschichte gepusht. Zur selben Zeit hat er uns galvanisiert, er hat uns gezwungen, das Weltgeschehen anders zu sehen", sagte Schallenberg am Dienstag bei der internationalen Konferenz "Time to Decide Europe Summit" in Wien.

"Wir werden wahrscheinlich nicht mögen, was wir sehen, aber ich glaube, dass dieser Moment der Wahrheit hilfreich ist, es kann ein Moment der Stärke daraus werden", sagte Schallenberg.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gebe es kein Zurück zum "Status quo ante", so der Außenminister. Schallenberg verglich den russischen Angriffskrieg mit einem Erdbeben, dessen tektonische Auswirkungen noch lange anhalten würden. Er sei aber optimistisch. Der Westen sei aus dieser Situation bisher "stärker hervorgegangen, als er geglaubt" habe, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. "Die Lichter sind nicht ausgegangen in Europa."

Schallenberg zitiert Borrell: „Müssen die Sprache der Macht lernen"

Schallenberg zitierte den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell mit den Worten, dass Einheit nicht ausreichend sei, "wir müssen die Sprache der Macht lernen". Die "wichtigste Hausaufgabe" der EU sei es, "die Nachbarschaft zu verankern". Dies gelte für den Westbalkan, aber ebenso für die Ukraine und Moldau, so Schallenberg. "Der Westbalkan ist nicht unser Hinterhof, er ist unser Center Court", sagte er unter Verwendung der Bezeichnung für den Hauptspielplatz eines Tennisturniers. Die Erweiterung sei auch kein legalistischer Ansatz, sondern "unser wichtigstes geostrategisches Instrument". Für Schallenberg ist die EU-Erweiterung um die Westbalkanstaaten "der Lackmustest". Sollte die EU hier scheitern, würde sie an Glaubwürdigkeit verlieren.

Schallenberg warnte die Europäer zugleich davor, zu egozentrisch zu sein. Das Narrativ, dass es beim Krieg in der Ukraine um einen Kampf zwischen liberalen Demokratien gegen die Autokratie oder zwischen Gut und Böse gehe, werde von vielen Staaten des globalen Südens nicht geteilt. Schwarz-Weiß-Denken und "moralische Fingerzeige" würden nur das russische Narrativ vom europäischen Imperialismus unterstützen, so Schallenberg. Als Beispiel nannte Schallenberg Vietnam, das an China grenzt und den russischen Angriff auf die Ukraine nicht verurteilt hat.

EU-Kommissar Timmermanns: „Putin mit Einigkeit und Stärke begegnen"

EU-Kommissionsvize Frans Timmermans forderte in seiner Video-Ansprache: "Wir müssen Putin mit Einigkeit und Stärke begegnen." Dabei spiele das Timing eine entscheidende Rolle. Die Unterstützung für die Ukraine müsse "so schnell wie möglich und so lange wie nötig" sein, so Timmermans. Zugleich stelle Chinas Aggressivität ein zusätzliches Risiko dar.

Europa müsse sich zunächst in der Lage sein, sich das Unvorstellbare vorzustellen, sagte Timmermans. In Hinblick auf die Erfahrungen mit der amerikanischen Trump-Administration verlangte der Niederländer, dass Europa seine Verantwortung in der Nato wahrnehme. Europa müsse auch zu seinen Werten stehen.

Die Konferenz "Time to Decide Europe Summit" findet heuer zum zweiten Mal in Wien statt. Die erste Konferenz stand 2022 im Lichte des russischen Angriffs auf die Ukraine. Sie wird von der ERSTE-Stiftung und vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) organisiert.

(APA)

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