EU

Ausstieg aus russischem Gas: Kurzfristig teuer, langfristig lohnend

FILE PHOTO: A handout screen grab from thermographic video footage shot with an infrared camera at the SNAM underground storage facility in Minerbio
FILE PHOTO: A handout screen grab from thermographic video footage shot with an infrared camera at the SNAM underground storage facility in Minerbiovia REUTERS
  • Drucken

Russlands Überfall auf die Ukraine hat den ökologischen Umbau der EU-Wirtschaft beschleunigt. Bis 2030 sollen Aufwendungen der europäischen Haushalte für Energie und Treibstoffe deutlich sinken.

Brüssel. Per aspera ad astra – die alte Umschreibung des mühsamen Wegs zum hehren Ziel trifft auf die Bemühungen der EU zu, sich von fossilen (russischen) Energieträgern unabhängig zu machen, um das selbst gesteckte Ziel einer Reduktion des CO2-Ausstoßes zu erreichen. Diese Schlussfolgerung lässt sich jedenfalls nach der Lektüre einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Brüsseler Thinktanks Strategic Perspectives ziehen.

In ihrer Enquete benutzten die Studienautoren ein etabliertes makroökonomisches Modell (Cambridge Econometrics E3ME), um zu berechnen, wie sich der Kampf gegen den Klimawandel und der Überfall Russlands auf die Ukraine bis zum Jahr 2030 auf die Wirtschaft der EU auswirken werden. Das Zieldatum ist nicht zufällig gewählt, denn gemäß des „Fit for 55“-Plans der EU sollen die Treibhausgas-Emissionen bis dahin um mindestens 55 Prozent reduziert werden (der Referenzwert ist der CO2-Ausstoß 1990).

Gasverbrauch: minus 34 Prozent

Quintessenz der Studie: Die Mühen, die die Europäer auf sich genommen haben – bzw. nehmen mussten –, um nach der russischen Invasion ihre Abhängigkeit von Gas, Öl und Kohle aus Russland zu senken, werden sich spätestens Ende des Jahrzehnts gelohnt haben. Demnach werden erneuerbare Energien 2030 EU-weit die wichtigste Quelle bei der Stromversorgung sein, während der Verbrauch von Öl und Gas um 31 bzw. 34 Prozent im Vergleich zu 2019 (dem letzten „normalen“ Jahr vor dem Ausbruch der Coronapandemie) zurückgehen soll – Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die EU-Staaten ihr „Fit for 55“-Programm umsetzen. Der bis 2030 avisierte Rückgang des Gaskonsums um 94 Mrd Kubikmeter entspricht übrigens dem gesamten Gaskonsum Deutschlands im Jahr 2021.

Für die privaten Haushalte bedeutet das eine große Ersparnis: Bei dem obigen Szenario dürften sie im Jahr 2030 6,1 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Energie und Treibstoffe ausgeben – im Vergleich zu 8,6 Prozent im Jahr 2022. Hinzu kommt, dass die Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft eine knappe halbe Million neue Arbeitsplätze schaffen soll.

Gemeinsamer Gaseinkauf

Noch ist der Ausstieg aus Öl und Gas allerdings nicht vollzogen. Um das russische Erpressungspotenzial zu minimieren, hat die EU-Kommission gemeinsame Gaseinkäufe organisiert. 25 „zuverlässige internationale Lieferanten haben auf unseren Gesamtbedarf von etwa 11,6 Mrd. Kubikmeter Gas mit Angeboten für eine Gesamtmenge von mehr als 13,4 Mrd. Kubikmeter reagiert“, sagte der mit der Materie betraute EU-Kommissar Maroš Šefčovič. Mehr als 110 Unternehmen nehmen an dem gemeinsamen Gaseinkauf teil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2023)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.