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Spitzengastronomie: „Viele Frauen kommen nach“

Agnes Karrasch
Agnes KarraschJana Madzigon
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Ein neuer Film begleitet die Spitzenköchin Agnes Karrasch (30) auf ihren Wanderjahren – und zeigt das mitunter harte Leben in der Top-Gastronomie.

„Ich geh nicht aus der Küche raus“, sagt Agnes Karrasch irgendwann, als sie im Dreisternetempel Vendôme eine Zwiebel in Schichten zerteilt. „Musst mich schon raustragen.“

Die Küche, genauer: die Spitzenküche ist das Metier der 30-Jährigen. Und der Moment, als sie im Vendôme quasi nebenbei über ihre Zukunft redet, ist einer von vielen starken Momenten, die ein Filmteam in den vergangenen Jahren eingefangen hat, in denen es die junge Köchin während ihrer Wanderjahre begleitet hat. Dabei war Karrasch, die nach einem Abstecher an die Uni mit 23 Jahren dann doch eine Kochlehre im Steirereck begann, von dieser Idee anfangs nicht begeistert gewesen. „Es war mir einfach immens wichtig, dass ich zuerst meinen Status finde und mein Selbstbewusstsein in der Branche.“

Als die gebürtige Bayerin 2018 mit dem österreichischen Jugendkochnationalteam beim Culinary World Cup in Luxemburg den Weltmeistertitel holte, sagte sie doch zu. Und zwar nicht zuletzt aus einem Grund: „Was sich in den Interviews durchgezogen hat, war: Jeder hat mich einfach nur aufs Frausein reduziert. Und da dachte ich: Okay, ich glaub, ich hab doch was zu sagen. Man könnte ja auch nicht nur das Geschlecht sehen – sondern einfach die Tatsache, dass das halt Köchinnen und Köche sind.“

„Auch diese Welt verändert sich“

Dass Karrasch in den verschiedenen Küchen, in denen sie arbeitet, meist eine der wenigen Frauen ist, ist freilich nicht zu übersehen. Halb lustige Sprüche wie der, ob so ein zartes Mädchen wohl schon mit so einem großen Messer arbeiten darf, fehlen auch im Film nicht. „Natürlich ist das ein Thema, natürlich ist das präsent – aber auch diese Welt verändert sich langsam“, sagt Karrasch. „Es gibt ja auch die extrem erfolgreichen Sterneköchinnen, und ich glaube, jetzt kommt ein großer Schwung an Frauen nach. Und wenn ich mir eine Köchin wie Pia León anschaue, die ein großes Role Model ist, da ist eine gute Entwicklung da.“

Der Ort, an dem ihr Geschlecht im Film am wenigsten Thema ist, ist ausgerechnet eine Küche, in der sie die einzige Frau ist: die des mit zwei Michelin-Sternen dekorierten Restaurants Koks auf den Färöer-Inseln, in dem sie nach ihrem Praktikum im Disfrutar in Barcelona – dem derzeit fünftbesten Restaurant der Welt – landet.

Ein Bauernhaus in der Einöde

Das Koks steht in vielerlei Hinsicht im totalen Kontrast zu ihren vorigen Stationen: ein moosbewachsenes Bauernhaus in der absoluten Einöde, in dem selbst gesammelte Kräuter und Napfmuscheln verkocht werden, die die Köche eigenhändig von den Steinen kratzen, ein kleines Team – und ein Umgangston, der in manchen anderen Küchen fehlt. „Unsere oberste Prämisse ist es im Koks, nett zueinander zu sein“, sagt Karrasch. „Und wir kriegen's hin.“ Das ziehe auch Leute an. Zuletzt habe etwa ein Koch für das Koks seine Stelle im Geranium in Kopenhagen gekündigt, dem weltbesten Restaurant.

Sowohl beim Umgang als auch bei den teilweise extremen Arbeitszeiten in vielen Spitzenküchen könne es langfristig nicht bleiben. „Ich glaube, dass sich das verändern muss, weil die jungen Köche das nicht mehr mitmachen“, sagt Karrasch. Was ihrer Meinung nach in vielen Küchen fehlt: „Es gibt viele gute Köche, aber nur wenige mit guten Führungskompetenzen.“ Mit den verschiedenen Stationen im Film habe sie da Glück gehabt.

Was die Küche anlangt, so hat sich für Agnes Karrasch im Koks ein bisschen der Kreis zu ihren Anfängen im Steirereck geschlossen: Ihr geht es um die Produkte, die das Umfeld eben gerade hergibt, und darum, aus ihnen den maximalen Geschmack herauszuholen: Im Koks, das mittlerweile in Grönland Quartier genommen hat, sind das auch ausgefallene Sachen wie fermentiertes Lamm, Wal, Rentierblut oder Algen.

Eisgeschäft oder Top-Restaurant

Kann sie sich – Stichwort Steirereck – vorstellen, irgendwann wieder in ein klassischeres Spitzenrestaurant einzusteigen? „Ich glaub nicht“, sagt die Köchin. „Ich habs gesehen, ich habs gemacht. Und als Souschefin habe ich mein persönliches Karriereziel im Angestelltenverhältnis inzwischen erreicht.“ Vielleicht sperrt sie irgendwann mit ihrem Partner und Kollegen Nino Fjordside Andersen ein feines Bistro mit Eisgeschäft auf. „Es könnte aber auch sein, dass wir sagen: Jetzt wollen wir's aber wirklich wissen. Auf jeden Fall machen wir was.“ Denn aus der Küche geht sie eben nicht raus.

Zur Person

Agnes Karrasch (30) ist in Bayern aufgewachsen und hat nach Studien in Innsbruck und England eine Kochlehre im Steirereck absolviert. 2018 war sie Teil des österreichischen Kochnationalteams, das den WM-Titel holte. Für die Dokumentation „She Chef“, die am 18. 5. in die heimischen Kinos kommt, hat ein Filmteam sie auf ihren Wanderjahren begleitet: im Dreisternerestaurant Vendôme, im Disfrutar in Barcelona, im Koks auf den Färöer-Inseln.

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