Replik auf Hans Winkler

Mit der FPÖ ist kein Staat zu machen

Wer der FPÖ in die Regierung hilft, wird wieder scheitern, die FPÖ dann schon zum vierten Mal.

Dr. Peter Pelinka (* 1951) war Chefredakteur von „AZ“, „News“ und „Format“. Heute ist er Gesellschafter der Medientrainingsfirma Intomedia.

Innsbruck, 13. 9. 1986: Zum zweiten Mal war ich junger Redakteur der „Arbeiter Zeitung“, damals noch Parteizeitung der SPÖ, Gast auf einem Parteitag der FPÖ. Es ging um eine grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen einem sich liberal verstehenden Regierungsflügel und der national-rechtsradikalen Parteibasis. Aussagekräftige Begleitumstände: Mehrere „Sieg Heil“-Rufe, ein Parteiobmann, der als „Jud“ beschimpft und mit dem „Vergasen“ bedroht wurde. Nobert Steger scheiterte mit einem Versöhnungsappell („Ich reich dir die Hand, Jörg“). Der Kärntner Landeschef blieb stets cool. Wer eine historisch so einmalige Chance für seine erstmals in die Bundesregierung gelangte Partei aufs Spiel setzt, hat mehr Pläne als nur neue Spielregeln in der eigenen Sandkiste. Franz Vranitzky war nicht bereit, einen so gewählten Haider als Vizekanzler zu dulden. Nach den Neuwahlen musste die FPÖ wieder in die Opposition.

Knittelfeld, 7. 9. 2002: An einem Samstag erreichte mich, Politik-Chef von „News“, der Anruf unserer jungen Berichterstatterin: „Es ist passiert.“ Sie hatte seit Wochen – oft eher ungläubig belächelt – vom Spaltungsplan des Jörg Haider berichtet: Er wolle die FPÖ spalten, unzufrieden mit der schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel, der als Chef der nur drittstärksten ÖVP die zweitstärksten Blauen in seine Regierung geholt hatte. Der egomanische Haider ertrug es nicht, der neuen Parteiobfrau Susanne Riess-Passer die erste Rolle zu überlassen, zettelte eine Intrige nach der anderen gegen sie und ihr engstes Team (Finanzminister Grasser, Klubchef Westenthaler) an und ließ seine Buberlpartie Pläne für eine eigene Partei lancieren. Ein Werkzeug dafür betrat beim erzwungenen außerordentlichen Parteitag von Knittelfeld die bundespolitische Bühne: Heinz-Christian Strache, damals Landeschef der Wiener FPÖ. Ein Kompromisspapier wurde von der Partei und Haider gemeinsam ausgehandelt, von Kurt Scheuch zum Gaudium der Delegierten aber auf offener Bühne zerrissen. Strache war dabei, höhnte mit. Die Folgen: Riess-Passer, Grasser und Westenthaler traten zurück, Schüssel setzte Neuwahlen an. Die FPÖ stürzte wieder ab, ihre zweite Chance als Regierungspartei war dahin.

Strache profilierte sich nach der Abspaltung des BZÖ als Antipode zum inzwischen verstorbenen Jörg Haider. Er schaffte es bis zum Vizekanzler unter Sebastian Kurz. Bis die neuerliche Selbstdemontage der FPÖ in Ibiza, per Video festgehalten, am 17. Mai 2019 bekannt wurde. Tags darauf traten Strache und Gudenus zurück, die FPÖ hatte ihre dritte große Chance als Regierungspartei vertan.

Dreimal ist sie gescheitert

Paradox, aber wahr: Vier Jahre später führt der neue FPÖ-Chef Kickl die Umfragen für eine im Herbst 2024 anstehende Neuwahl an und gilt als wahrscheinlicher Kanzler einer blau-schwarzen Koalition. Folge diverser nationaler (ÖVP-Korruptionsfälle, SPÖ-Selbstbeschädigung) und internationaler Krisen (Russland-Krieg, Inflation, Pandemie).

Ganz „ohne Hass und Wut“ (Hans Winkler in der „Presse“, 16. Mai): Dreimal schon ist die FPÖ als Regierungspartei an eigenem Unvermögen gescheitert, an ihrem Mangel an seriösem Personal, an ihrem gescheiterten Spagat zwischen einem glaubwürdigen Reformprogramm und einem skrupellosen Sammeln populistischer Stimmungen gegen alles, was gerade unpopulär ist oder scheint. Gerade Kickl steht für diese zweite Konzeption, plagiiert auch inhaltlich Ungarns Viktor Orbán. Wer dabei mitmachen will, wird wieder scheitern, die FPÖ dann eben zum vierten Mal.Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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