Stadtentwicklung

Was wurde aus dem „Supergrätzl“ in Favoriten?

Ein paar Blumenkästen, ein bisschen Farbe und ein einsamer Poller: „Das Supergrätzl ist dilettantisch umgesetzt.“
Ein paar Blumenkästen, ein bisschen Farbe und ein einsamer Poller: „Das Supergrätzl ist dilettantisch umgesetzt.“Die Presse/Clemens Fabry
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Als „Wiener Antwort auf die Klimakrise“ gefeiert, ist von dem Konzept zwei Jahre nach dem Start nicht viel zu sehen. Steckt politisches Kalkül dahinter?

Wien. Kurz ist der Lenker verwirrt über den Poller, der mitten auf der Straßenkreuzung steht. Und über die rosa Farbe auf der Straße, mit der die Fahrbahn nach rechts ausgewiesen wird. Der Autofahrer bleibt stehen, schaut links, rechts, und fährt dann, mit kleinem Bogen um den Poller, geradeaus weiter.

„Solche Autofahrer gibt es viele. Keiner hält sich an die Markierungen“ sagt Daniel Huppmann. Er ist Anrainer in Favoriten – und zwar nicht irgendwo, sondern im ersten „Supergrätzl“ Wiens. Huppmann war erfreut, als sein Wohnviertel vor fast zwei Jahren für das Pilotprojekt auserkoren wurde – und dies mit Blasmusik und Straßenfest gefeiert wurde. Endlich ein sicherer Weg in den Kindergarten ohne durchbrausende Autos, endlich etwas mehr Leben zwischen den grauen Wohnblöcken. Mittlerweile ist seine Euphorie dahin.


Dabei gilt das Supergrätzl – angelehnt am spanischen Superblock – als Nonplusultra in der städtischen Verkehrsplanung, um in bestehenden Stadtgebieten für mehr Lebensqualität zu sorgen. In einem definierten Gebiet werden Einbahnen umgedreht, Kreuzungen für die Durchfahrt gesperrt, Geschwindigkeiten gedrosselt, Begegnungszonen angelegt. Durchzugsverkehr wird um den Block herumgeleitet, innerhalb wird begrünt und mehr Raum für Radfahrer, Fußgänger und Anrainer geschaffen. Oder wie es die Stadt Wien in ihrer Infobroschüre ausdrückt: „Das Supergrätzl ist die Wiener Antwort auf die Klimakrise für die dicht bewohnte Bestandsstadt.“

Bloß dass es in Wien nicht so recht funktioniert. Der Meinung ist nicht nur Huppmann, der wöchentlich Videos von Straßensperren ignorierenden Autofahrern auf Social Media postet. „Das Supergrätzl ist dilettantisch umgesetzt“, urteilt auch Ulrich Leth, Verkehrswissenschafter an der TU Wien.

Eigentlich hätten sogenannte Diagonalfilter, also diagonal verlaufende Sperren mit Pollern, an vier Kreuzungen das Durchfahren verunmöglichen und Autofahrer zum Abbiegen zwingen sollen. „Hier hat die Stadt Wien Geld gespart. Statt drei bis fünf Pollern gibt es nur einen einzigen.“ Und der wird, so eine noch nicht veröffentlichte Erhebung der TU Wien, die der „Presse“ vorliegt, geflissentlich ignoriert. Je nach Kreuzung umfahren bis zu 76 Prozent der Autofahrer die Markierungen.

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