Buch der Woche

Esther Kinsky: Das Kino bleibt ein Ort der Wunder

Esther Kinsky ist auch als Übersetzerin tätig, unter anderem aus dem Polnischen und Englischen.
Esther Kinsky ist auch als Übersetzerin tätig, unter anderem aus dem Polnischen und Englischen.GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk
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Nicht nur ein Abgesang auf die Magie des gemeinsamen Schauens, sondern ein poetisches Plädoyer für intensivere Wahrnehmung ist Esther Kinskys „Weiter sehen“.

Barocke Ruinen, als Discounter oder Busgaragen verwandte Säle, in denen einst noch der rote Vorhang die Fantasie der Zuschauer:innen lockte – bereits 2015 dokumentierten die Fotografen Yves Marchand und Romain Meffre in ihrer Ausstellung „Filmtheater“ die traurig stimmende Umnutzung ehemaliger Kinos. Fakt ist, dass ihnen schon oft der Untergang vorausgesagt wurde. Erst kam das Fernsehen, dann Youtube, und nun die Streaming-Dienste, die den Hort der Träume in die vielleicht dramatischste Krise überhaupt geführt haben.

Diese Beobachtung bildet mithin den Ausgangspunkt eines berührenden Lamentos, nämlich Esther Kinskys Buch „Weiter sehen“. Zwischen Essay und Erzählung beleuchtet sie darin noch einmal ihre Passion für die längst bedrohte Kinematografie. „Der Gang ins Kino“, betont sie, „weitet die Welt und die Zeit, das Kino bleibt ein Wunderort.“ Ihm hafte noch immer etwas „Mythisches als Ort des Sehens“ an. Sie schwärmt, gerade auch im Rückblick auf ihre Jugend, vom „Zufluchtsort“ und „Rauschzuständen“, überdies von einer Topografie der „Klassenlosigkeit“, in der sich Alt und Jung, Arm und Reich versammeln konnten – inmitten eines dunklen Raums, der erst im Licht der Leinwand die Herzen öffnet. Aus Sicht der 1956 in Engelskirchen geborenen Autorin scheint an das Ende dieser Ära ebenso ein gesellschaftlicher Verlust geknüpft: „Tot ist die verbindliche Gemeinsamkeit der Erfahrung Kino, auf die man sich verständigen konnte, auch wenn sie noch schneewittchenhaft schön und unverwest in manchem Denken und Erinnern aufgehoben ist . . . in einem gläsernen Sarg, der irgendwo in einem Randgelände abgestellt ist.“

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