Mein Samstag

Ravioli aus den 1980ern

Sie haben es vielleicht auch gelesen: Vor 65 Jahren sind die ersten Dosen-Ravioli (in Tomatensauce) auf den Markt gekommen.

Ich glaube, wir haben die in meiner Kindheit in den 1980ern auch ab und zu gegessen. (Die Mama wird jetzt sicher einwerfen, dass sie „ganz sicher“ nie Konservendosen-Essen serviert hat.)

Vielleicht aber verwechsle ich das auch mit der damals populären Serie namens, nun, „Ravioli“. Da ging es um eine Horde Geschwister, die wochenlang allein ist. Die Eltern sind irgendwohin gefahren, haben ihnen Geld für Lebensmittel dagelassen, das die Kinder aber lieber anderweitig ausgeben, weshalb sie sich nur von günstigen Dosen-Ravioli ernähren. Die Serie hat jedenfalls eine dieser Kinder-Sehnsüchte bedient: Ohne Erwachsene daheim sein und tun, was man will. Ein bisschen wie Pippi Langstrumpf, nur mit deutschen Mark statt Goldmünzen und insgesamt nicht so ausgeflippt-freiheitsliebend wie Lindgrens Heldin, sondern eher so bieder-deutsch. Die Geschwister hatten interessante Namen wie Jarl-Kulle Düwel (Nein, ich habe da keine Buchstaben durcheinandergewirbelt), tolle Rollschuhe und schreckliche 80er-Jahre-Topf-Frisuren.

Dass es aber auch viel wilder geht, hat mir ungefähr zur gleichen Zeit die italienische Serie „Der Stein des Marco Polo“ gezeigt: Wieder eine Gruppe Geschwister mit ähnlichen 80er-Haarschnitten, die über den Markusplatz streift und in gefährliche Situationen gerät. In jeder Folge schwören sie auf einen blauen Stein (des Marco Polo, genau), die Botschaft ist musketierähnlich („Einer für alle, . . .“), nur venezianischer: „Einer in der Lagune, alle in der Lagune.“ Das Kind wird immer leicht nervös, wenn ich ins 1980er-Schwärmen verfalle, weil es dann fürchtet, dass es mit mir alte Serien schauen muss. Bei „Alf“ hat es nach einer Folge aufgegeben (fühlt sich heute auch nicht mehr so wahnsinnig witzig an wie damals), denn, wie es das Kind formuliert: „Ich schaue doch keine Serie aus dem vorigen Jahr-tau-send!“ Ich lieber auch nicht, sonst muss ich vielleicht meine verklärten Kindheitserinnerungen umschreiben. In diesem Sinne: Kochen Sie wieder mal Ravioli!

E-Mails an:mirjam.marits@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2023)

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