Man wühlt, schachtet, scharrt, schaufelt und schürft nicht nur, um Gegenstände zu finden, sondern auch um Erinnerungen zu bewahren – oder um einen Wunsch wahr werden zu lassen wie Heinrich Schliemann, der vor 150 Jahren den „Schatz des Priamos“ fand.
Zu meinem zehnten Geburtstag schenkten mir meine Eltern eine illustrierte Übersetzung von Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“. Auf einer der ersten Seiten, ich erinnere mich genau, entdeckte ich eine Abbildung der Schatzkarte des Captain J. Flints, jenes berüchtigten Piraten, der einst mit seinem Schiff und einer kleinen Crew in der Skelettbucht vor Anker ging, um dort einen sagenumwobenen Schatz zu vergraben. Nächtelang saß ich mit einer Taschenlampe in meinem Bett, um diese ziemlich detaillierte Karte zu studieren. Mit meinen Fingern fuhr ich der rot eingefärbten Linie nach, die über das Meer und weiter zwischen Gebirgen und Wäldern, vorbei an wegweisenden Skeletten, zum Schatz führte. Es stand für mich außer Frage, dass es diese Insel und diesen Schatz wirklich gibt. Wochenlang bereitete ich mich darauf vor, es eines Tages dem Protagonisten Jim Hawkins gleichzutun und den Schatz zu bergen. Warum mir das bis heute nicht gelungen ist, weiß ich nicht. Ich hatte mich wirklich vorbereitet, alle Seemannslieder auswendig gelernt, neue Batterien für die Taschenlampe besorgt und sogar Kopien der Karte angefertigt. Wahrscheinlich ist mir ganz einfach die Fantasie abhandengekommen.
Ganz anders erging es da dem Archäologen Heinrich Schliemann aus Neubukow im Nordosten Deutschlands. Seine wichtigen, aber auch umstrittenen Ausgrabungen Trojas und Mykenes gehen auf einen Kupferstich zurück, den der 1822 geborene Kosmopolit als Siebenjähriger in einem Weihnachtsgeschenk seiner Eltern entdeckte. Es handelte sich um Georg Ludwig Jerrers „Weltgeschichte für Kinder“, und die Abbildung zeigte das brennende Troja. Während sein Vater, ein gut gestellter Pastor, ihm aus dem Buch vorlas, betrachtete der junge Heinrich dieses Bild, und in seinem Kopf verfestigte sich der Gedanke, die brennenden Mauern eines Tages aufzusuchen. Ob es sich bei diesem Troja um eine wirkliche Stadt oder um ein rein fiktionales Erzeugnis aus dem erfinderischen Geist Homers und dessen „Ilias“ handelte, spielte für Schliemann nie eine Rolle.