Film-Kritik

„Indiana Jones 5“: Die Yankees haben Hitlers magische Lanze gestohlen!

80 Jahre, und kein bisschen weise: Harrison Ford als Indiana Jones.
80 Jahre, und kein bisschen weise: Harrison Ford als Indiana Jones.(c) Disney / Festival de Cannes
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Harrison Ford greift wieder zu Filzhut und Peitsche: „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ feierte am Donnerstag in Cannes Premiere. Und bot einen vorbildlichen Nachbau der Original-Filme von Steven Spielberg - mit Vorbehalten.

Donnerlüttchen – die Yankees haben Hitlers magische Lanze gestohlen! Ein Ärgernis für die Nazis, ein Glück für Indiana Jones: Der abenteuernde Archäologe mit Peitsche, Charme und Filzhut liebt es, faschistoiden Fieslingen eins auszuwischen. Zuletzt tat er das 2008, in „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“. Obwohl der vierte Teil der beliebten Blockbuster-Reihe mit Harrison Ford an den Kassen beileibe kein Reinfall war, krankt er bis heute an üblem Leumund: Schon damals meinten viele im Publikum, Ford sei nicht mehr mit gleichem Herz bei der Sache wie dereinst in seiner Blütezeit in den wilden 1980er-Jahren – und mittlerweile vielleicht schlicht zu alt für die Rolle des ausgebufften Haudegens.

Doch heute, wo 80 das neue 40 ist, Nostalgie wieder hoch im Kurs steht und Digitaleffekte wahre Wunder wirken können, ist die Handhabe der Bedenkenträger zusammengeschnurrt. Alsdann, seht an: „Indy“ reitet wieder! Und zwar nicht irgendwo, sondern bei den erlauchten Filmfestspielen von Cannes, wo „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ am Donnerstagabend (außer Konkurrenz) Premiere feierte. Steven Spielberg – nebst George Lucas, Philip Kaufman und Lawrence Kasdan einer der Taufpaten des Jones-Epos – hat das Regie-Zepter abgegeben: Er widmet sich dieser Tage lieber prestigeträchtigeren Stoffen. Angenommen hat es James Mangold („Ford v Ferrari“), selbst kein Jungspund mehr, aber doch einer von Hollywoods verlässlichsten Neo-Klassizisten. Das soll was heißen: Nämlich, dass es den Verantwortlichen einigermaßen ernst ist mit diesem Film. Kein Schnellschuss-Kassenschlager soll der neue „Indiana Jones“ sein, sondern eine würdige Wiederbelebung (und Verabschiedung) eines der lässigsten Jugendhelden der Generation X.

Und die ist dem Filmteam gelungen; zwar kein Kunststück mit kolportierten 300 Millionen Budget-Dollar, aber doch eine Leistung. Der immense Erfolg von „Top Gun: Maverick“ (2022) – einer weiteren Achtziger-Auferstehung, die in Cannes aufgeführt wurde - hat die Studios offenbar eines gelehrt: Wenn man die Zielgruppe jener „Best Ager“ zufriedenstellen will, die sich in eine Zeit zurücksehnen, als Multiplex-Unterhaltung noch nicht gleichbedeutend war mit seriell angefertigten Superheldenspektakeln, dann muss man ihnen mehr bieten als oberflächliche Anbiederung mit Altstar-Gastauftritten und augenzwinkernden Anspielungen auf ihre Lieblingsszenen. Nicht, dass sie solche nicht wollen, allein: Es reicht nicht. Wirklich wahrhaft Genüge tut ihnen nur das ganze Paket: ein echter, richtiger Film, so wie früher, aber von – und für – das Hier und Jetzt.

„Indy“ ärgert sich nun über vorlaute Hippies

Eben das will „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ sein. Und er ist es auch, mit Vorbehalten. Mangold und seine drei erfahrenen Co-Drehbuchautoren haben lang und hart daran gearbeitet, Ton und Ästhetik von Spielbergs kultiger Original-Trilogie punktgenau nachzubilden – und deren Antiquiertheit zugleich auf behutsame Wiese zum übergreifenden Leitmotiv von Teil fünf zu machen. Passend, dass der turbulente Anfang ihrer Fortsetzung – mit der besagten, von Nazi-Karikaturen gestohlenen Lanzen-Reliquie, die sich flugs als falsche Fährte erweist – keinen Hehl daraus macht, dass der hier rüstig über Zugwaggons hüpfende Harrison Ford digital verjüngt wurde wie Robert De Niro in Martin Scorseses „The Irishman“. Die stets angenehm übersichtliche Action, getrieben von den triumphalen, in viele Gedächtnisse eingravierten Fanfarenklängen aus dem „Indy“-Soundtrack vom unverwüstlichen Spielberg-Stammkomponisten John Williams, erscheint in dieser „historischen“ Sequenz gleichsam als Erinnerung, als süßer Traum eines alternden Draufgängers.

Dann kommt das böse Erwachen: Jones/Ford, nunmehr in seiner vollen, faltigen, geriatrischen Pracht, muss sich 1969 – eine fremde Zeit für einen, dessen fiktionale Biografie in den 1930er-Jahren ihren Höhepunkt hatte, der also immer schon „Retro“ war – mit vorlauten jungen Hippies herumschlagen und der schmerzlichen Tatsache seines dräuenden Ruhestands ins Auge sehen. Hinzu kommen die Launen seiner schnoddrigen Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridge, bekannt aus der Serie „Fleabag“), die Jones umgehend in ein frisches, angemessen aberwitziges Abenteuer hineinzieht, rund um die obligatorischen mystischen Artefakte und garstigen Cartoon-Bösewichte (deren Anführer hier von Mads Mikkelsen mit einer gewissen Gravität ausgestattet wird).

Die neue Frau an der (gleichberechtigten) Seite von Indiana Jones: Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridge).
Die neue Frau an der (gleichberechtigten) Seite von Indiana Jones: Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridge).(c) Jonathan Olley / Lucasfilm Ltd. (Jonathan Olley)

Zweieinhalb weithin kurzweilige Stunden dauert dieser nostalgische Spaß, der freilich nicht frei ist von irritierenden Absurditäten. Etwa jener, dass auch der pensionierte „Indy“ nur so alt ist, wie er sich fühlt – und selbst nach einem Faustkampf in einem abstürzenden Flugzeug nicht außer Atem gerät. Aber der erstaunliche Enthusiasmus, mit der sich Ford und Waller-Bridge in manche Szenen werfen, und die Liebe zum Detail, mit der hier vom Kostüm (Joanna Johnston) bis zum Szenenbild (Adam Stockhausen) gewerkelt wurde, macht dergleichen beinahe vergessen. Zumal es am Ende erzählerisch doch primär darum zu gehen scheint, den nimmermüden Abenteurer auf der Leinwand (und jenen im Kopf jedes Zuschauers) mit seinem unausweichlichen Renteneintritt zu versöhnen.

Nebenher übt „Indiana Jones 5“ tätige Reue für vergangene Vergehen der Reihe in puncto Sexismus und Rassismus: Waller-Bridge ist als Helena keine bloße Neben-, sondern Co-Hauptfigur, und überdies keinen Deut weniger witzig, weltgewandt, clever und tatkräftig als ihr bisweilen recht grummeliger Gevatter – mithin weit entfernt von der undankbaren Rolle der kreischenden Sängerin, die Kate Capshaw in „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ ausfüllen musste. Auch Ethann Isidore darf als Helenas vifer Knappe und Mitstreiter (ein bisschen) mehr Nuancen an den Tag legen als der exotisierte Schani, den der jüngst mit einem Oscar bedachte Ke Huy Quan in jenem Film gab.

Retro-Kino, wie von der KI fabriziert

Ein dezidiert konservatives Unterfangen ist „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ trotzdem: Schließlich fällt die Reihe laut Branchensprech in die Markenkategorie „Legacy“ (sprich: Vermächtnis), und da sind Experimente unerwünscht. Im Gegenteil: Serien wie „Yellowstone“ und Filme wie der erwähnte „Top Gun: Maverick“ zeugen davon, dass der Markt für gezielte, qualitativ hochwertige Kino-Traditionspflege satte Renditen bereithält. Beide Produktnamen gehören der Mediengruppe Paramount, die einst auch die Nutzungsrechte an „Indiana Jones“ hielt. Im Jahr 2013 wurden dessen Lizenzen von Disney erworben – doch Mangolds Film schlägt letztlich in die gleiche Kerbe wie die genannten Vintage-Hits.

Und gleichwohl man zugeben muss, dass diese Fortsetzung (bis hin zum altertumsseligen Wahnwitz ihres Finales) in sich stimmig ist, bleibt doch der leicht schale Beigeschmack eines historischen Reenactments, die Anmutung der Mittelalterfest-Version eines „Indiana Jones“-Films: So wie die breitflächig digital aufgetragene beige-braune Vollholz-Patina den Bildern des fünften Teils einen Anschein von Wertigkeit verleihen soll, ohne dabei an die griffige Textur des 35-mm-Materials heranzukommen, die die Original-Streifen belebte, so eignet im Grunde dem ganzen Film die Aura eines vorbildlichen, aber fadenscheinigen Faksimiles, einer sorgsam abgestaubten Altware, einer generalsanierten Mottenkiste. Und, gleichzeitig, einem allzu perfektionistischen (und darob seltsam leblosen) zeitgenössischen Nachbau – als hätte jemand eine hocheffiziente Künstliche Intelligenz damit beauftragt, einen „Indiana Jones“-Film für das Jahr 2023 zu fabrizieren.

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