Die geplante Kundgebung gegen die Veranstaltung wird nicht stattfinden. Die Exekutive legt eine umfangreiche Platzsperre rund um die Hofburg fest. Die Aktivisten sind empört.
Wien/Stög. Wenn Freitagabend schlagende Burschenschafter in der Hofburg beim Korporationsball feiern, darf davor nicht demonstriert werden. Die geplante Kundgebung gegen die Veranstaltung – man wollte sich am Praterstern sammeln und von dort zum Museumsquartier marschieren – wird nicht stattfinden. Polizeisprecher Roman Hahslinger führt als Grund für das Verbot an, man habe in den vergangenen Jahren gesehen, dass es strafbare Handlungen gegeben hat.
Da die Polizei lediglich eine Standkundgebung vor der Votivkirche erlauben wollte, haben die Veranstalter ihre Anmeldung zurückgezogen. Ob es dennoch eine Versammlung geben wird, stand vorerst nicht fest. Rosa Krasnaya von der Linken Liste kritisiert: „Die Einschränkung der Versammlungsfreiheit nähert sich mittlerweile den Zuständen in Teheran und Taschkent an.“
"Burschis grillen", "Burschis zerlegen" - mit diesen und ähnlichen Slogans haben Ende Jänner 2010 in Wien hunderte Menschen demonstriert. Anlass: Ein Ball des Wiener Korporationsrings, der am Abend in der Hofburg stattfand.Von Günter Felbermayer und Maria Kronbichler ("DiePresse.com") (c) Kronbichler Mariahilfer Straße, früher Abend: Die Demonstranten versammeln sich in der Nähe des Westbahnhofes. Die Polizei ist mit einem massivem Aufgebot vor Ort. Die Demo wurde im Vorfeld untersagt. (c) Kronbichler Das Verbot hat einige der Anwesenden überhaupt erst mobilisiert. "Die Polizei stellt sich auf die Seite der Nazis", empört sich ein Demonstrant. (c) Kronbichler Per Megafon erklärt die Polizei die Demonstration für aufgelöst. Als die Menge daraufhin in Richtung Ring ziehen will, droht die Lage zu eskalieren: Einige Demonstranten drängen gegen die Polizei-Kette und werfen mit Feuerwerkskörpern. Die Polizisten setzen teilweise Schlagstöcke ein. (c) Kronbichler Schließlich ziehen sich die Demonstranten etwas zurück. (c) Kronbichler Einige versuchen, an anderer Stelle durch die Absperrungen zu kommen. Es kommt zu Festnahmen. (c) Kronbichler Auch ein Wasserwerfer rückt an und wird gegenüber den Demonstranten in Stellung gebracht. (c) Kronbichler "Demo-Verbot: Sauerei", und "Eure Kinder werden so wie wir", skandiert die Menge Richtung Polizisten. (c) Kronbichler Der Abschnitt der Mariahilfer Straße, in dem sich der Protest abspielt, ist vollkommen abgeriegelt. Das betrifft nicht nur Demonstranten, sondern auch Unbeteiligte. "Wir sind eingesperrt", ruft eine Frau aufgeregt ins Handy. Sie befand sich zu Beginn der Demo noch in einem Cafe. (c) Kronbichler Nur an einer Absperrung werden hin und wieder Menschen hinaus gelassen. Da davor von jedem Einzelnen die Personalien aufgenommen werden, bildet sich eine riesige Schlange von Wartenden. "Wir wollen nach Hause", rufen sie.Im Bild: Die Absperrung wird kurz geöffnet, um Rettungssanitäter in die Sperrzone zu lassen. (c) Kronbichler Der Grüne Abgeordnete Karl Öllinger wirft der Polizei eine Eskalationsstrategie vor. "Hätte man die Demo erlaubt, wäre sie geordnet abgelaufen", sagt er im Gespräch mit "Presse.com". Diese Strategie sei "von hoher Stelle" angeordnet .Laut Öllinger wurden einige Zeit lang Menschen nur "gegen Anzeige" durch die Absperrungen gelassen: "Touristen, Geschäftsleute - alle wurden angezeigt". Öllinger telefoniert immer wieder mit dem Einsatzleiter und fordert, dass die vor der Absperrung Wartenden zügiger hinaus gelassen werden. (c) Kronbichler Von der Behörde kommt die Durchsage:"In Hinblick auf die winterliche Witterung ersuchen wir Sie, sich Richtung Stumpergasse zu bewegen". Das wird von der Menschenmenge, die ebendort darauf wartet, hinausgelassen zu werden, mit höhnischem Gelächter quittiert. (c) Kronbichler Vor der Absperrung formieren sich "Cheerleader". "Lasst die Leute raus", singen sie. (c) Kronbichler Indes versuchen radikale Teile unter den Demonstranten, an einer anderen Stelle gewaltsam durch die Polizei-Kette zu brechen.Die Bilanz der Demonstration: 14 Festnahmen und mehrere Verletzte. (c) APA Der Ball selbst fand in der Hofburg statt. Der Heldenplatz war deshalb abgesperrt.Gespenstische Ruhe vor dem Burgtor: Durch großräumiges Abriegeln der ganzen Umgebung ist hier kein einziger Demonstrant zu sehen. Beim Sigmund-Freud Park bei der Votivkirche wird ein "Straßenfest gegen den rechtsextremen WKR-Ball" gefeiert. Aber nur wenige Menschen haben sich bei kalten Temperaturen hinverirrt. Auf Infoständen kann man sich mit Broschüren der Veranstalter eindecken. Diese beiden wollten eigentlich zum Demo-Treffpunkt beim Westbahnhof, haben aber erfahren, dass die Demonstration dort aufgelöst wurde. Sie wollen mit ihrer Anwesenheit "ein Zeichen setzen gegen die rechtsextremen Burschenschafter. Nur zum Abfeiern sind diese beiden vor der Votivkirche - sie wissen nicht einmal wieso hier eine Veranstaltung stattfand, aber sie kennen die Band, die hier auftrat. Die Band versucht mit harten Gitarrenriffs etwas einzuheizen. Maria Vassilakou von den Wiener Grünen veranstaltet vor der Albertina eine "Lesung gegen den rechtsextremen Stumpfsinn", denn: "Der WKR-Ball in der Hofburg wird immer mehr zu einem Auflauf der rechtsextremen Szene Europas." Auch hier trotzen aber nur wenige den kalten Temperaturen. Prominente aus Kunst und Kultur wie der Kabarettist Werner Brix tragen Texte aus Thomas Bernhards Stück "Heldenplatz" vor. Am Tag nach den Protesten kritisierten ÖH, Sozialistische Jugend und Grünalternative Jugend den Polizeieinsatz. Die ÖH sprach von "massiver Polizeigewalt". Demonstranten seien "krankenhausreif geschlagen, angezeigt und bedroht" worden.Der FPÖ-Abgeordnete Werner Herbert wiederum nannte die Demonstration eine "hemmungslosen Gewaltorgie skrupelloser Aktivisten". Er forderte außerdem den Grünen Abgeordneten Öllinger zum Rücktritt auf. Proteste gegen Burschenschafter-Ball Eskalation droht Der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser meint, durch die Untersagung drohe eine Eskalation. Sein Parteikollege, der Wiener Klubobmann David Ellensohn, erklärt: „Die Burschenschaften bekommen das schönste Gebäude Wiens zur Verfügung gestellt, die Demonstranten dürfen sich aber nicht von dem ihnen zugewiesenen Platz wegbewegen.“ Die FPÖ begrüßt zwar das Demo-Verbot, befürchtet aber auch Randale für heute Abend.
Polizeipräsident Gerhard Pürstl verordnete ab 17 Uhr ein Platzverbot rund um die Hofburg.
(c) Polizei
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. Jänner 2011)
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