„Tal der Wölfe“: Antiisraelisch und nationalistisch

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Der umstrittene türkische Film ist in den Kinos angelaufen. Die "Presse" war bei der ersten Vorstellung. Antisemitisch ist der Film nicht. Antiisraelisch sehr wohl.

Neun Monate ist es her, dass die israelische Armee eine Gaza-Hilfsflotte angriff, die versuchte, die israelische Seeblockade zu durchbrechen, und dabei neun türkische Aktivisten umbrachte. Jetzt zieht der gern als „türkischer James Bond“ bezeichnete Polat Alemdar zum Rachefeldzug aus, um die Verantwortlichen zur Strecke zu bringen. Was folgt, ist knallharte Action und plumpste Propaganda.

Zu sehen ist das im türkischen Film „Tal der Wölfe – Palästina“. Am Freitag läuft er in der Türkei an, in Österreich schon am Donnerstag: ausgerechnet am 27. Jänner, dem internationalen Holocaust-Gedenktag. Auf diese offensichtliche Provokation der in Köln hauptansässigen Pera Film (eine auf türkische Filme spezialisierte Firma mit türkischem Geschäftsführer) reagierte in Deutschland die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, indem sie den Film zunächst nicht freigab. Am Donnerstag gab dann Pera Film überraschend bekannt, der Film sei zugelassen worden, allerdings erst ab 18 Jahren.

In Österreich protestierte u.a. der Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden gegen die „antisemitische Hetze“, Politiker der SPÖ und der Grünen schlossen sich an. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker erklärte: „So ein Film hat in den österreichischen Kinos nichts verloren“, er solle abgesetzt werden. „Tal der Wölfe – Palästina“ schüre das alte Vorurteil der jüdischen Weltverschwörung und stelle die Existenz des Staates Israel infrage.

Vorgänger begeisterte sogar Erdogan

Nun, antisemitisch ist der Film nicht. Antiisraelisch sehr wohl. Schwärzer und weißer geht es nicht: Israelische Killer morden friedliebende palästinensische Familien und verstümmeln Kinder. „Überall in der Welt sind Muslime die Opfer“, sagt Polat, „aber wir lassen uns nicht länger demütigen.“

Bei der Premiere am Donnerstag nachmittag im UCI Millennium in Wien war nur rund ein Zehntel des Kinosaals mit vorwiegend türkischen Burschen und Mädchen – mit Kopftuch und ohne – besetzt.

Dabei ist „Tal der Wölfe“ – Palästina“ ein Ableger der bisher erfolgreichsten türkischen Fernsehserie „Kurtlar Vadisi“ („Tal der Wölfe“), die den Nationalismus schon im Titel transportiert (er verweist auf die Legende einer grauen Wölfin, die den Türken einst den Weg nach Westen zeigte). Vor fünf Jahren kam „Tal der Wölfe – Irak“, der teuerste türkische Film aller Zeiten, und einer der erfolgreichsten, wenn auch eher nicht bei den türkischen Filmkritikern: Nationalismus als Hauptmenü, mit einer „Kanne islamischer Sauce“ drüber, urteilte das Boulevardblatt „Milliyet“. Millionen Türken – vorwiegend jung und männlich – stürmten schon in den ersten drei Tagen die Kinos, selbst Premierminister Recep Tayyip Erdoğan ließ sich den Film privat vorführen und empfahl ihn weiter; am Flughafen Istanbul wurde er auf einer Leinwand in Endlosschleife gezeigt.

Schon damals zog Serienheld Polat Alemdar aus, um Rache zu nehmen, und zwar an den Amerikanern – für das „Hood Event“ 2003 (siehe Kasten). Ob Serie oder Film, die Feinde sind immer dieselben: Amerikaner und Israelis. In „Tal der Wölfe – Irak“ verband sich beides in der Figur eines jüdischen US-Arztes, der Muslimen Organe entnimmt und diese nach Tel Aviv, London und New York verschickt.

Feridun Zaimoglu hält die Empörung trotzdem für „Heuchelei“. Der deutsche Schriftsteller mit türkischen Wurzeln („Liebesbrand“, „Leyla“) war gestern Abend auch in Wien, allerdings nicht im Kino, sondern zu Gast beim „Stadtgespräch“ der Arbeiterkammer in Wien. Den Vorgängerfilm „Tal der Wölfe – Irak“ hat er aber gesehen, und, wie er der „Presse“ sagt, „nichts daran auszusetzen gefunden“. Für ihn ist das schlicht einer der üblichen „Ich-hau-ihm-die-Rübe-weg-Filme“, ein „typischer Rambo-Film“.

Zaimoglu: Nicht anders als Hollywood

Und Zaimoglu wundert sich über den großen Aufschrei, der schon damals durch Deutschland und Amerika ging: „Seit Jahrzehnten bemüht Hollywood das Freund-Feind-Schema, die Feinde sind die Vietkong, dann die bösen, bösen Bolschewisten. Da hat keiner gefragt: Was sucht denn der Amerikaner in Vietnam oder in anderen Ländern? Diese Rambo-Filme konnte man goutieren. Und jetzt hat das ein türkischer Regisseur, den ich sehr intelligent finde, mal so hingestellt, dass halt die Amerikaner die Bösen sind – was, wenn man die Weltpolitik sieht, ja auch naheliegen kann. Die Amis haben sich früher auch nicht um die Gefühle derer gekümmert, die sie als Feinde deklariert haben.“ Wenn man „Tal der Wölfe“ zensuriere, sagt Zaimoglu, müsse man das auch mit allen anderen Filmen dieses Genres tun, denn: „Die fördern alle keine Völkerverständigung.“

Ganz so ist es nicht. Man muss sich nur ansehen, wie kritisch das US-Kino den Irakkrieg verarbeitet hat. So plakativ wie „Tal der Wölfe“ war Hollywood zuletzt vor einem halben Jahrhundert.

Erst TV-Serie, dann Kinofilme

„Tal der Wölfe“ knüpft an eine türkische TV-Serie an, die von 2003 bis 2005 produziert wurde. Im Mittelpunkt steht der türkische James Bond, Polat Alemdar, Agent eines fiktiven Geheimdienstes. Im Kinofilm „Tal der Wölfe – Irak“ (2006) ging es um die sogenannte Sackaffäre („Hood Event“): 2003 hatten US-Soldaten im Irak einen Außenposten der türkischen Armee gestürmt, elf Offiziere festgenommen, ihnen Säcke über den Kopf gestülpt und sie nach Bagdad gebracht. „Tal der Wölfe – Palästina“ geht nun vom Angriff der israelischen Armee auf eine Hilfsflotte für Gaza 2010 aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2011)

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