"Karmeliterinnen" in der Staatsoper: Große Musik, verirrte Regie

++ HANDOUT ++ FOTOPROBE: ´DIALOGUES DES CARM�LITES´ AN DER WIENER STAATSOPER
++ HANDOUT ++ FOTOPROBE: ´DIALOGUES DES CARM�LITES´ AN DER WIENER STAATSOPERStaatsoper/Michael Pöhn
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Unter Bertrand de Billy werden Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ in der Staatsoper mit einer guten Besetzung zum einhellig bejubelten musikalischen Erfolg. Regisseurin Magdalena Fuchsberger verrennt sich trotz starker Details in einer ebenso weit hergeholten wie halbherzig umgesetzten Aktualisierung.

Die beste Nachricht lautet: Nach fast 60 Jahren spielt die Staatsoper wieder Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“, jene einzigartige Oper über das historische Schicksal einer Gruppe von Nonnen, die in die Mühlen der Französischen Revolution geraten und schließlich für ihren Glauben aufs Schafott gehen. Ein aus der Zeit gefallenes Sujet? Mitnichten: Es geht um Lebensentwürfe und -einstellungen, um Ängste in und angesichts der Welt, um den Umgang mit Hierarchien, um Traditionen und Prinzipien, um die Kraft des Gewissens, um Demut und Geltungssucht, Willen und Vertrauen. Wer Robert Carsens Inszenierung 2008 am Theater an der Wien erlebt hat, weiß es ohnehin, den anderen sei’s in aller Deutlichkeit gesagt: Man muss dieses Stück gehört haben.

Poulencs Musik fasziniert vom ersten Ton an, von der nervös gespannten Unruhe der Staccato-Eröffnung bis zum unbegreiflichen, transzendental-lyrischen Todesmarsch, bei dem die Schwestern unerschütterlich das Salve Regina singen – und mit jedem Heruntersausen des Fallbeils, in der Partitur exakt verzeichnet, verstummt eine Stimme. Großartig, wie sich Poulenc die Tonalität expressiv zurechtknetet, wie er aus so gut wie allen Epochen der Musikgeschichte seine Lehren zieht und das Ergebnis doch völlig individuell und neuartig tönt! Die Stimmungen der in sich abgeschlossenen, aber gleichsam filmisch aufeinanderfolgenden Szenen sind im Nu und mit höchster Präzision getroffen. Poulenc schreibt gleichsam mit Spitzfeder und Lineal. Nichts verliert sich im Diffusen, die Konturen sind scharf wie die Klinge des Henkers, die Farbmischungen tönen wundersam – und zusammen mit den kantablen Singstimmen machen sie die emotionalen Zustände der Figuren spontan klar. Um den Eindruck einer solchen Selbstverständlichkeit zu erreichen, muss sich ein Komponist Rechenschaft über jeden einzelnen Ton ablegen können.

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