Morgenglosse

Orbán – Nehammers zwielichtiger Partner

Reuters
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Der Bundeskanzler und sein Innenminister wurden von Ungarns Regierung mit der Freilassung gemeinsam aufgegriffener Schlepper bloßgestellt.

Auf dem Schulhof mag das noch funktioniert haben: sich mit zwielichtigen Klassenkollegen zu arrangieren, nur um Vorteile gegenüber Dritten zu erlangen. Bundeskanzler Karl Nehammer und sein Innenminister, Gerhard Karner, sollten diesem Alter allerdings längst entwachsen sein. Mit einem Mindestmaß an Menschenkenntnis ausgestattet, müsste ihnen eigentlich klar gewesen sein, auf wen sie sich da eingelassen haben.

Die ungarische Regierung unter Viktor Orbán bricht EU-Recht und Menschenrechte, drückt sich aus gemeinsamen Beschlüssen, ist unsolidarisch sowohl bei der Bewältigung der Zuwanderung als auch im gemeinsamen Vorgehen gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Warum sollte sie beim Kampf gegen jene Banden, die verzweifelte Menschen gegen viel Geld illegal in die EU bringen, anders agieren? Die Freilassung von mehreren Hundert Schleppern, nur weil ihre Unterbringung in ungarischen Gefängnissen „zu teuer“ geworden ist, zeugt von jener verantwortungslosen Haltung, die Orbán und seine Gefolgsleute seit Jahren in den EU-Gremien an den Tag legen – und mit der sie mittlerweile fast alle Partner vor den Kopf gestoßen haben.

Natürlich hat Ungarns Regierung gern akzeptiert, dass österreichische Polizisten im Rahmen der gemeinsamen Operation Fox auf ihrem Staatsgebiet patrouillierten. Es kostete sie ja nichts. Gemeinsam wurden irregulär eingewanderte Menschen aufgegriffen und nebenbei auch viele Schlepper inhaftiert. Jetzt dürfen diese ausreisen, ihr „Handwerk“ fortsetzen, Hauptsache, sie fallen dem ungarischen Staat nicht mehr zur Last.

Haben sich Nehammer und Karner wirklich täuschen lassen? Wahrscheinlich haben sie nur den naiven Fehler begangen zu glauben, ihr zwielichtiger Partner in Budapest könnte ihnen helfen, ihre Handlungsfähigkeit in der Migrationspolitik vor der eigenen Bevölkerung unter Beweis zu stellen. Sie haben angenommen, sie könnten mit ihm kooperieren, da er doch ähnliche Interessen verfolgen sollte wie sie. Was für ein Trugschluss: Orbán geht es wie vielen unverantwortlichen Machtpolitikern nicht um die Lösung, sondern rein um das Problem.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2023)

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