Eine leidenschaftliche Lehrerin redet ihren Schülern ein, sie müssten nicht essen, um zu überleben: Jessica Hausners am Montag im Cannes-Wettbewerb uraufgeführte Ideologiesatire „Club Zero“ könnte die Goldene Palme ernten.
Nein, bescheiden ist sie nicht, diese Miss Novak. „Ich bin hier, um dich zu retten“, sagt sie zu einer ihrer Schülerinnen – und meint das völlig ernst. Wovor genau sie sie retten will, das ist niemandem so ganz klar, weder Novak noch der von ihr umsorgten Jugendlichen. Aber beide sind überzeugt, dass es – was auch immer es ist – sehr, sehr schlimm sein muss. Und dass drastische Maßnahmen nötig sind, um die ersehnte Rettung in Gang zu setzen.
Es ist typisch für Jessica Hausner, dass der Plot ihres neuen Films, „Club Zero“, der am Montagabend im Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes Premiere feierte, im Kern keinen greifbaren und konkreten Beweggrund hat. Die 50-jährige Österreicherin ist fasziniert von den Gedankengebäuden, die wir Menschen um uns herum errichten – und von den zum Teil verhängnisvollen (Irr-)Wegen, die deren Fantasiemauern uns vorgeben. Selten war dieses Hauptinteresse Hausners so deutlich erkennbar wie in ihrer jüngsten Arbeit – ein möglicher Alternativtitel für selbige wäre „Ideologie: Der Film“.
Passenderweise spielt „Club Zero“ – eine internationale Co-Produktion und Hausners zweiter englischsprachiger Film – an einer Schule: Sinnstiftende Wissensvermittlung setzt dort ein gewisses Grundvertrauen voraus, das leicht missbraucht werden kann. Als Verführerin – Hausner nennt den „Rattenfänger von Hameln“ als Inspiration – tritt hier besagte Miss Novak auf, eine junge, enthusiastische Lehrerin (gespielt von der auf undurchschaubare Figuren abonnierten Australierin Mia Wasikowska), die an einem Internat für Gutbetuchte bewusste Ernährung unterrichten soll. Was sie auch tut – nur halt ein bisschen mehr, als von ihr verlangt.