Sanktionen

Raiffeisen will das Russlandgeschäft loswerden

Die Presse/Clemens Fabry
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RBI unter Druck, aus Russland auszusteigen - Insider sehen Abspaltung als wahrscheinlichste Variante - Spin-off stößt auf Hürden

Die Raiffeisen Bank International (RBI) treibt Insidern zufolge Pläne für eine Abspaltung ihres umstrittenen Russland-Geschäfts an ihre Aktionäre voran. Ein "Spin-off" der Russland-Tochter vom restlichen Geschäft sei gegenüber einem Verkauf die wahrscheinlichere der beiden Ausstiegsoptionen, sagten drei mit der Situation vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters. Versuche, einen Käufer zu finden, blieben seit Monaten erfolglos.

Eine Bank-Sprecherin sagte auf Anfrage der APA, es würden weiter,
wie im März kommuniziert, beide Optionen, ein Verkauf oder ein
Spin-off, geprüft.

Auf Distanz zu Russland

Laut einem der Insider zielt laut Reuters eine Abspaltung darauf
ab, sich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine von Russland
zu distanzieren und weiteren Reputationsschaden zu vermeiden.
Österreichs zweitgrößte Bank steht wegen ihres Russland-Geschäfts,
das milliardenschwere Gewinne einfährt und der größte Ertragsbringer
ist, unter hohem Druck von Investoren, Bankenaufsicht und
US-Sanktionswächtern.

Rückendeckung erhielt die Banken-Gruppe, die als Hausbank der
konservativen Regierungspartei ÖVP gilt, zu Wochenbeginn erneut von
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP). Bei einem Treffen mit
seinen Amtskollegen in Brüssel sagte er zu den Teilnehmern, die sich
versammelt hatten, um neue Russland-Sanktionen zu erörtern, dass
Raiffeisen in dieser Frage nicht herausgegriffen werden sollte. Die
Bank unterscheide sich nicht von den meisten westlichen Unternehmen,
die auch weiterhin dort tätig seien, so der Minister laut einem
österreichischen Beamten. Schon früher äußerte sich Schallenberg
ähnlich. Weiterhin in Russland aktiv ist etwa die italienische
Großbank UniCredit.

Hürden für Abspaltung oder Verkauf 

Fest steht: Eine Abspaltung ist - so wie ein Verkauf - kein
leichtes Unterfangen. "Es ist kein Spaziergang, es gilt viele Hürden
zu überwinden", sagte Bankchef Johann Strobl vor wenigen Wochen.
Neben zahlreichen notwendigen Genehmigungen könnten der RBI auch
hohe Kosten einen Strich durch die Rechnung machen. Leichtfertig
werde man die Präsenz in Russland jedenfalls nicht aufgeben, fasste
es Aufsichtsratschef Erwin Hameseder zusammen.

Die RBI ist seit 30 Jahren in Russland tätig und heute das
wichtigste westliche Institut in dem Land. Die russische Tochter
hat, nachdem nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs zahlreiche russische
Banken infolge der Sanktionen aus dem internationalen Finanzsystem
SWIFT ausgeschlossen wurden, eine wichtige Rolle im internationalen
Zahlungsverkehr für das Land eingenommen. Dividenden fließen derzeit
jedoch keine von Moskau nach Wien.

Sanktionsdruck aus den USA 

Zudem steht die Bank unter Beobachtung: Im Jänner leitete die
US-Sanktionsbehörde OFAC eine Untersuchung gegen Raiffeisen ein. Die
Behörde will wissen, wie die Sanktionen umgesetzt werden und
verlangt die Beantwortung einiger Fragen. Die Europäische
Zentralbank (EZB) drängt die Bank wiederum, sich gegen die Risiken
zu wappnen. Darüber hinaus gab es Kritik aus der Ukraine, die der
RBI vorwirft, den Krieg zu finanzieren. All das drückt auf den
Aktienkurs. Seit Jahresbeginn haben die RBI-Papiere rund sechs
Prozent an Wert verloren.

"Der Spin-off hat den Vorteil, dass man dem Wunsch des
Kapitalmarktes und der Sanktionsinstitutionen nachkommt, sich aus
dem Markt zurückzuziehen, ohne einen Käufer finden zu müssen", sagte
ein Insider. Doch dafür brauche es die Genehmigung der EZB und der
russischen Behörden. Zudem drohe eine Ausstiegssteuer, die das
Unterfangen teuer machen könnte. Eine zweite mit der Situation
vertraute Person sagt, nach einer Abspaltung könnten die
Raiffeisenlandesbanken ihre Anteile an der Gesellschaft verkaufen.
"Was einige auch tun wollen, andere nicht".

Putin muss zustimmen

Ein direkter Verkauf bedürfe hingegen der Zustimmung von
Präsident Wladimir Putin und wäre mit hohen Auflagen und Einbußen
beim Verkaufspreis verbunden. Ein dritter Insider sagte, die
Abspaltung sei wahrscheinlicher, weil jeder potenzielle Käufer durch
die westlichen Sanktionen abgeschreckt worden sei. Ein
Investmentbanker räumte ein, eine Abspaltung wäre auch die
einfachste Lösung und würde der Bank Zeit verschaffen.

Die RBI erklärte nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine im
Februar 2022, sie prüfe alle Optionen für ihre Russland-Tochter.
Erst Ende März bei der Jahres-Hauptversammlung änderte Bankchef
Strobl die Kommunikationslinie: Man konzentriere sich nun auf einen
Verkauf oder eine Abspaltung, sagte er. Zeitgleich werde das
Russland-Geschäft weiter reduziert. Ein konkreter Zeitplan wurde
nicht genannt. Im Falle einer Abspaltung könne man nicht vor Ende
des dritten Quartals mit Ergebnissen rechnen, erklärte er in einer
Telefonkonferenz mit Analysten. Ein Verkauf wiederum würde sich über
mindestens ein Quartal ziehen.

Zweifel der Aktionäre

Aktionäre zweifeln jedenfalls an der Umsetzung. "Beide Optionen
(Verkauf und Abspaltung, Anm.) sind kaum realistisch", sagte Florian
Beckermann vom Interessenverband der Anleger (IVA). Die RBI werde
wohl in Russland bleiben und in Absprache mit der EZB das Geschäft
weiter reduzieren, sagte er. Die EZB lehnte eine Stellungnahme ab.

Die Pläne der Bank bei einem "Spin-off" sehen vor, dass die
Russland-Tochter in eine eigene Gesellschaft eingebracht wird und in
Wien oder einer an einer anderen europäischen Börse gelistet wird.
Jeder RBI-Aktionär - knapp 60 Prozent des Kapitals sind im Eigentum
der Raiffeisenlandesbanken - würde dann einen entsprechenden Anteil
an der neuen Einheit besitzen. Der Schritt müsste auf einer
außerordentlichen Hauptversammlung abgesegnet werden. Ein
Kapitalmarktexperte aus Wien sagte: "Das wird ein Zockerpapier, eine
Wette auf den Kriegsausgang".

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