Die Ich-Pleite

Der Wonnemonat Mai und ein geburtenstarker Juli

Carolina Frank
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Sex ist bestimmt eine der gesünderen Maßnahmen gegen Herbstblues. Doch wie erklärt es sich, dass vor den 1970er-Jahren die meisten Babys im Frühling geboren wurden?

Heute weiß jedes Kind über das Geheimnis der Fortpflanzung Bescheid, bevor es „Blume“ oder „Biene“ überhaupt fehlerfrei aufsagen kann. Es muss nur ein Smartphone einschalten können. Und trotzdem gibt uns das Thema immer noch Rätsel auf. Demoskopen fragen sich zum Beispiel, in welchem Monat die meisten Kinder auf die Welt kommen.

Spontan würde man vielleicht sagen: neun Monate nach dem Wonnemonat Mai. Das wäre der Februar. Aber die geburtenstärksten Monate sind in Wirklichkeit Juli, August und September. Bei genauerer Überlegung auch wieder logisch. Sex ist bestimmt eine der gesünderen Maßnahmen gegen Herbstblues. Doch wie erklärt es sich, dass vor den 1970er-Jahren die meisten Babys im Frühling geboren wurden? Demoskopinnen vermuten, es lag an den ökonomischen Bedingungen. Früher mussten die Menschen die Ernte abwarten, bevor sie sich einen weiteren Esser einhandeln konnten.

Bei meinem nächsten Heimatbesuch höre ich mich unter der älteren Verwandtschaft ein bisschen um. Dabei stoße ich auf wenig Verständnis für die Demoskopen-These. „Na“, sagt meine Oma. „Des ssschtimmt nit. Jeder Esser isch ja a Arbeitskkkraft.“ Was ist dann der Grund? „Früher hat’s vor der Hochzeit kkkkoan Sex geben, außer vielleicht . . .“, sagt sie und presst die Lippen aufeinander. „Ja?“ „Im Sommer auf der Alm oder beim Musifest . . .“ Sie senkt das Strickzeug und wartet, ob ich verstehe. „Aha“, geht mir ein Licht auf. Meine Oma errötet. „Du und der Opa habt im Oktober geheiratet, und die Mama ist im Mai auf die Welt gekommen“, überlege ich laut.

Ein Mona-Lisa-mäßiges Lächeln erscheint auf dem Gesicht meiner Oma. „Ja, die erschten Kkkinder sein meistens Frühgeburten gewesen.“ Das müsste man den Demoskopen weitererzählen.

("Die Presse Schaufenster" vom 19.05.23)

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