Gastkommentar - Künstliche Intelligenz

Sprechen Sie schon KI? Nein? Dann lernen Sie's!

Peter Kufner
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Die rasanten Entwicklungen auf dem Gebiet der KI zeigen uns, wie groß und bedenklich unser Mangel an KI- und Daten-Bildung ist. Ein paar Gedanken von Ana Simic, CEO von Dain Studios Österreich.

Vor exakt 30 Jahren betrat ich österreichischen Boden. Zu dieser Zeit beschränkten sich meine Deutschkenntnisse auf ein einziges Wort: „Hallo.“ Mittlerweile beherrsche ich die Sprache mit Leichtigkeit.

Diese Fähigkeit erwies und erweist sich als äußerst nützlich, da sie mir ermöglichte, meine schulische und universitäre Ausbildung abzuschließen, beruflich erfolgreich zu sein, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und einen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten. Die Sprache war und ist das Werkzeug, das mir eine umfassende Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht.

Zur Autorin

Mag.a Ana Simic (* 1977) ist Österreich-Geschäftsführerin von DAIN Studios, einer finnisch-deutschen Unternehmensberatung, die Unternehmen hilft, KI zu verstehen und anzuwenden, und für große Unternehmen KI- und Data-Strategien entwickelt und umsetzt. Als Marketing- und Digitalisierungsexpertin war sie vor dem Wechsel in die Beratung viele Jahre für A1 Telekom in verschiedenen Führungspositionen tätig. [Studio F_Yvonne Fetz]

In letzter Zeit begegnet mir der Begriff Sprache besonders häufig in meinem Alltag. Insbesondere wird darüber gesprochen, wenn es um „Large Language Models“ im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) geht, also um große sprachbasierte Datenmodelle wie beispielsweise Chat GPT. Diese neue KI sorgt bei den Nutzern für Begeisterung – doch nur wenige stellen sich die Fragen, was sich dahinter verbirgt, wie die KI tatsächlich funktioniert und warum.

Chat GPT ist aktuell die prominenteste KI, aber bei Weitem nicht die einzige. Selbst wenn wir uns die Frage stellen, wie andere Datenmodelle funktionieren, stoßen wir auf mangelndes Verständnis. Die wenigsten von uns können erklären, wie selbstfahrende Autos denken und Entscheidungen treffen, wie Navigationssysteme funktionieren oder wie E-Commerce-Anwendungen gesteuert werden. So bleibt die Frage: Wer optimiert hier was für wen, basierend auf welchen Daten und warum?

Laut einer Studie bezeichnen sich nur 17 % der Mitarbeitenden in Unternehmen als „datenkompetent“ und wissen somit, wie sie souverän mit Daten umgehen können. Gleichzeitig geben 85 % der Organisationen mangelnde Datenkompetenz als größte Hürde bei der digitalen Transformation an. Wir alle haben einen Mangel an Daten- und KI-Bildung in sämtlichen Bereichen. Das ist besonders bedenklich in einer Zeit, in der KI einen immer bedeutenderen Platz in unserem Leben einnimmt.

Die KI kann mittlerweile sehen, hören, erkennen, zeichnen, produzieren, automatisieren und Vorhersagen treffen. Wir leben und gestalten eine Ära der „AI-conomy“. Dieser englische Begriff (AI=KI) beschreibt die wachsende Bedeutung der künstlichen Intelligenz für die Weltwirtschaft, die Förderung von Innovationen sowie die Transformation von Unternehmen und Gesellschaften. Die AI-conomy ermöglicht uns eine Vielzahl von Verbesserungen für uns selbst und unsere Mitmenschen. Wir werden von medizinischen Fortschritten profitieren, unsere Bildung verbessern und komplexe Probleme in hochkomplexen Systemen lösen können, wie zum Beispiel das Eindämmen der Klimaerwärmung.

Gleichzeitig bewegen wir uns auf dünnem Eis und können großen Schaden anrichten – für uns, unsere Kinder, unsere Mitmenschen und unsere Gesellschaft. 40 % der KI-Modelle sind aus Sicht der Cybersicherheit unsicher. Die Erstellung von Fake News war noch nie so einfach. Die erste KI-generierte Kampagne „Beat Biden“, bei der der US-Präsident in ein schlechtes Licht gerückt werden sollte, wurde bereits veröffentlicht.

Wer versteht die KI wirklich?

Wenn wir beispielsweise die KI bitten, die Daten-Experten von DAIN Studios zu generieren, zeigt sie in München Menschen mit Brillen, in Berlin Personen in Punk-Outfits und in Wien viele Menschen im Dirndl. Das entspricht natürlich nicht der Realität, aber zeigt, wie die KI versucht, die Realität abzubilden. Daher komme ich zurück zu meiner anfänglichen Frage: Wer von uns versteht diese KI wirklich? Wie sollen wir für Fairness sorgen, wenn uns das Wissen fehlt? Wie können wir Mitgestalter sein?

Die Beherrschung der KI-Sprache ist die neue digitale Kompetenz des 21. Jahrhunderts. Ähnlich wie das Lesen im Mittelalter oder meine Deutschkenntnisse in den vergangenen 30 Jahren ist KI im 21. Jahrhundert entscheidend. Um diese neue Kulturtechnik zu beherrschen und an der Gesellschaft teilzuhaben, müssen wir unsere KI-Kompetenzen steigern. Dazu gibt es drei konkrete Schritte:

Erstens müssen wir Zeit investieren und lernen, anwenden und dranbleiben. Wir müssen verstehen, was sich unter der Oberfläche verbirgt und wie die Dinge zusammenhängen. Dafür ist es nicht erforderlich, eine Mathematikerin zu sein oder eine zu werden, aber die Grundbegriffe und die Grundregeln dieser neuen KI-Sprache müssen wir erlernen. So wie ich die Grammatik der deutschen Sprache erlernen musste, um sicher und richtig zu kommunizieren, müssen wir also die „KI-Grammatik“ erlernen. Weiters reicht das passive Lernen allein, wie beim Erlernen einer Sprache, nicht aus. Wir müssen das Gelernte anwenden, ausprobieren und dabei nicht den Mut verlieren, wenn wir Fehler machen oder nicht sofort die gewünschten Ergebnisse erzielen. Durchhalten ist gefragt.

Kritisches Denken ist wichtig

Zweitens sind kritisches Denken und gesunde Skepsis erforderlich. Wir sollten nicht alles bedingungslos akzeptieren. Die eingespeisten Daten müssen sauber sein und die Ergebnisse der Algorithmen Sinn ergeben. Kontrolle von beidem ist tatsächlich besser, als blind den Daten und den Ergebnissen zu vertrauen. Vor allem in den frühen Stadien der Entwicklung und der Anwendung eines KI-Modells ist die menschliche Kontrolle unentbehrlich. Ein Beispiel aus amerikanischen Schulen zeigt, dass die KI-Kompetenz in Schulen, die frühzeitig mit Chat GPT experimentiert haben, erheblich verbessert wurde. Die Kinder lernten aus den Fehlern der KI, und vor allem lernten sie, diese Fehler zu erkennen. Diese Kompetenz brauchen wir heutzutage mehr denn je.

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Drittens müssen wir auch alle anderen mitnehmen und dafür sorgen, dass die KI-Kompetenzen allgemein in den Unternehmen, Organisationen und der Gesellschaft erhöht werden. Jeder von uns kann dazu beitragen, dass mehr Menschen lernen und sich mit dem Thema beschäftigen. Als Lehrer kann ich den Stoff in den Lehrplan integrieren. Als Entscheidungsträger in einer Organisation kann ich ein Programm zur Förderung von Daten- und KI-Kompetenz starten. Einige große Unternehmen investieren bereits seit Längerem in diesen Bereich, einige davon habe ich persönlich begleitet. Zu sehen, wie aus den frisch gewonnenen Kompetenzen und dem gestärkten Selbstbewusstsein Neues entsteht, wie Menschen in ihren Arbeitsbereichen aufblühen, Unternehmen erfolgreicher werden und die Gesellschaft insgesamt besser wird, ist das, was uns täglich motiviert.

Das KI-Zeitalter ist angebrochen, und die Frage, ob Mensch oder KI gewinnen wird, spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist die Frage, wie wir Menschen damit umgehen und uns auf dieses neue Zeitalter einstellen. Das Beherrschen der KI-Sprache ist der erste wichtige Schritt.

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