Gastkommentar

Warum Österreich das Mercosurabkommen braucht

Die Bundesregierung sollte ihre Blockadehaltung gegenüber dem EU-Mercosur-Abkommen überdenken.

Die Lage rund um den österreichischen Industriestandort bleibt nach wie vor angespannt: Der Arbeits- und Fachkräftemangel, die andauernden Inflationsentwicklungen und die Überbürokratisierung werden die heimischen Unternehmen noch einige Zeit fordern. Auch im globalen Kontext ist die Situation äußerst anspruchsvoll, denn die geopolitischen Veränderungen üben einen massiven Druck auf die europäische und österreichische Industrie aus. Eine faire und aktive Handelspolitik, die sich nicht vor neuen Partnern verschließt, sondern anderen Demokratien die Hand reicht und gemeinsam die Rahmenbedingungen für einen nachhaltigen Handel schafft, waren stets Ziele der Europäischen Union. Gerade für Österreich sind Handelsabkommen, wie jenes mit der Mercosur-Region, entscheidend.

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Österreich ist eine Exportnation – rund ein Drittel der Waren und Dienstleistungen aus Österreich werden im Ausland verkauft. Damit geht jeder vierte Steuer-Euro auf den Export zurück und bildet somit Fundament für Arbeitsplätze, Ausbildung und Gesundheitsversorgung.

Aus diesen Gründen sollte die Bundesregierung ihre Blockadehaltung gegenüber dem Mercosur-Abkommen überdenken, auch weil man sich mit dieser Haltung innerhalb der Europäischen Union zunehmend isoliert und die Zusammenarbeit mit den Staaten Südamerikas, etwa beim Umwelt- und Klimaschutz, auf eine unnötige Probe stellt. Der Diskurs auf nationaler Ebene über die Bedeutung von freiem Handel ist oft schwarz oder weiß, häufig werden wichtige Facetten ausgeblendet und polemische Zuspitzungen nehmen Überhand. So haben internationale Handelsbeziehungen eine armutsbekämpfende sowie inflationsdämpfende Wirkung, denn fairer und freier Handel führt zu mehr Auswahl für Konsumentinnen und Konsumenten und folglich zu niedrigeren Preisen. Angesichts der aktuellen Inflation sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, diese zu senken. Auf das Mercosur-Abkommen bezogen, wird außer Acht gelassen, wie wichtig Südamerika für uns bei der nachhaltigen Energiewende sein kann. Die Region ist reich an Rohstoffen und seltenen Erden, die für die grüne Transformation – etwa in der Batterieproduktion – benötigt werden. Das Potenzial zur Produktion von grünem Wasserstoff ist groß und hat für Europa ebenfalls einen wichtigen Stellenwert auf dem Pfad der Dekarbonisierung.

Für das Argument des unzureichenden Klimaschutzes beim EU-Mercosur-Abkommens gilt: Klimaschutz endet nicht an unserer Staatsgrenze. Wer den Klimaschutz weltweit vorantreiben will, muss für einen hohen Anteil Europas am internationalen Handel eintreten. Denn nirgends auf der Welt wird so umweltfreundlich produziert wie in Europa und Österreich.

Müssen Partner gewinnen

Gleichzeitig müssen wir Partner für unsere Anliegen gewinnen: Verantwortungsvolle Politik bedeutet, Brasilien beim Erhalt des Amazonas zu unterstützen und nicht Südamerika bei dieser für uns alle entscheidenden Frage allein zu lassen und weltfremd aus einem komfortablen Europa zu kommentieren. Vielmehr müssen wir auf die Nöte der Menschen vor Ort eingehen und gemeinsam Lösungen entwickeln. Das EU-Mercosur-Abkommen bietet uns genau diese Möglichkeit und kann gleichzeitig neue Arbeitsplätze, auch in Österreich, schaffen. Verzichten wir leichtfertig auf diese Chancen, werden andere Wirtschaftsräume sie nutzen. Ob dies dem Umwelt- und Klimaschutz dient, bleibt fraglich.

E-Mails: debatte@diepresse.com

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