Anklagebank

Wenn (einstige) Regierungsmitglieder vor Gericht landen

Ex-Innenminister Ernst Strasser vor Gericht (Foto aus 2014): Sein Urteil ist der jüngste rechtskräftig gewordene Spruch gegen einen vormaligen Minister.
Ex-Innenminister Ernst Strasser vor Gericht (Foto aus 2014): Sein Urteil ist der jüngste rechtskräftig gewordene Spruch gegen einen vormaligen Minister.APA/HERBERT NEUBAUER
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Von Androsch über Strasser bis Strache: Etliche Ex-Minister sind schon verurteilt worden, zwei ehemalige Bundeskanzler haben Vorstrafen ausgefasst. Eine Zeitreise.

Das Amt eines Kanzlers oder Ministers streben viele an. Den Abstieg von dort auf die Anklagebank will kaum jemand wahrhaben. Und doch zeigt die Geschichte, dass Aufstieg und Fall nah bei einander liegen können.

Am weitesten weg, obgleich deshalb nicht minder aufsehenerregend, liegt der Fall von Franz Olah. Der ehemalige SPÖ-Innenminister und Gewerkschaftspräsident wurde 1969 wegen Veruntreuung von Gewerkschaftsgeldern zu einem Jahr Haft verurteilt. Olah hatte mit ÖGB-Mitteln sowohl den Start der „Kronen Zeitung“ als auch die FPÖ finanziert – mutmaßlich als Vorleistung für eine rot-blaue Koalition.

Exakt 20 Jahre später war es niemand geringerer denn Bruno Kreisky, der sich vor Gericht zu verantworten hatte: Weil er Simon Wiesenthal als Gestapo-Informanten verleumdet hatte, wurde er zu einer Geldstrafe verurteilt – allerdings war er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr roter Kanzler. Seine Aussage zurückziehen musste er dennoch.

Kreiskys „Kronprinz“, Hannes Androsch, seines Zeichens erst Finanzminister, später Vizekanzler, wurde 1988 verurteilt, obgleich die Wurzeln des Verfahrens in die 1970er zurückreichen – konkret zur Planung des neuen Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH). Gegen Androsch wurde der Verdacht geäußert, er sei über einen Strohmann an einer Beratungsfirma beteiligt, die Millionenbeträge erhalten hatte. Ein parlamentarischer U-Ausschuss wurde eingesetzt, wo Androsch aussagte, dass die von anonymen Konten geflossenen Gelder von einem reichen, bereits verstorbenen Wahlonkel stammen würde. Das Gericht glaubte das nicht, es setzte eine Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage. 1993 folgte der rechtskräftige Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung.

Fred Sinowatz, von 1983 bis 1986 Regierungschef, wurde 1992 rechtskräftig wegen falscher Zeugenaussage verurteilt. Es setzte eine Geldstrafe in Höhe von 360.000 Schilling. Der Fall datiert in das Jahr 1985 zurück, als der damalige SPÖ-Bundesparteivorsitzende im burgenländischen Landesparteivorstand angekündigt hatte, man werde die Österreicher rechtzeitig auf die „braune Vergangenheit“ des ÖVP-Präsidentschaftskandidaten und späteren Bundespräsidenten Kurt Waldheim aufmerksam machen. Als das publik wurde, strengte Sinowatz einen Ehrenbeleidigungsprozess gegen den Aufdecker Alfred Worm an. Sinowatz verlor. Und landete eben wegen Falschaussage selbst vor Gericht.

Ex-Außenminister Leopold Gratz (SPÖ) wurde 1993 ebenfalls wegen falscher Zeugenaussage verurteilt, er hatte seinen Freund Udo Proksch in der „Lucona-Affäre“ schützen wollen. Es setzte eine Geldstrafe von 450.000 Schilling.

Innenminister Karl Blecha (SPÖ) wurde in der sogenannten Noricum-Affäre rechtskräftig schuldig gesprochen – wegen Beweismittelfälschung und Urkundenunterdrückung zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt. Die Causa drehte sich, sehr verknappt gesprochen, um illegale Waffenlieferungen an den Iran.

Für reichlich Schlagzeilen sorgte die „Cash for Law“-Affäre rund um den früheren ÖVP-Innenminister und EU-Abgeordneten Ernst Strasser – die bis vor einen Fünf-Richter-Senat des Obersten Gerichtshofes ging. Das Ergebnis: drei Jahre Haft wegen Bestechlichkeit. Konkret wurde als erwiesen erachtet, dass Strasser sich gegenüber zwei als Lobbyisten getarnten Journalisten im Europäischen Parlament bereiterklärt hatte, gegen Bezahlung Einfluss auf die EU-Gesetzgebung zu nehmen.

Strassers einstiger Regierungs-, wenn auch nicht Parteikollege, Vizekanzler Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ) entging indes einer Verurteilung: Ihm wurde zwar vorgeworfen, nach seinem Ausscheiden aus der Regierung von der Telekom Austria in regelmäßigen Abständen Zahlungen in Höhe von 268.000 Euro erhalten zu haben (mit einem Teil des Geldes soll er seine Sekretärin bezahlt, den Rest für sich behalten haben), prozessiert wurde aber nicht – Gorbach nahm zuvor das Diversionsangebot der Staatsanwaltschaft an.

Am 4. Dezember 2020 wurde das erstinstanzliche Urteil im größten Korruptionsprozess der österreichischen Justizgeschichte gesprochen: Karl-Heinz Grasser wurde in Zusammenhang mit den Affären „Buwog“ und „Terminal Tower“ zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Vorwürfe: Untreue, Fälschung von Beweismitteln und Geschenkannahme durch Beamte. Der ehemalige Finanzminister kündigte daraufhin „traurig, schockiert und erschrocken“ Berufung und Nichtigkeitsbeschwede an, die er allerdings erst nach Monaten einbringen konnte – erst im Jänner 2022 lag das schriftliche Urteil vor. Im Februar 2023 legten Grassers Verteidiger außerdem Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Der Status quo: Bei aufrechter Unschuldsvermutung wird auf Abschluss des Rechtsmittelverfahrens und auf das VfGH-Erkenntnis gewartet.

Schon entschieden ist der Prikraf-Prozess gegen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ): Bestechlichkeit lautete die von der WKStA erhobene Vorwurf. Zutreffend, befand das Erstgericht im August 2021 – und verurteilte Strache zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten. Die Berufung hatte Erfolg: Der Prozess wurde neu aufgerollt – das Urteil auf einen Freispruch revidiert.

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