Prozess

15 Monate bedingte Haft für Sophie Karmasin

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin auf der Anklagebank.
Ex-Familienministerin Sophie Karmasin auf der Anklagebank.APA/GEORG HOCHMUTH
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Die ehemalige Familienministerin wurde wegen Wettbewerbs-Manipulation schuldig gesprochen. Die Strafe, 15 Monate Haft, wurde auf Bewährung verhängt.

Vierter und letzter Prozesstag im Straflandesgericht Wien: Die Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) fordert einen Schuldspruch – sowie „spürbare teilbedingte Haft“ für die Angeklagte. Und zwar wegen schweren Betrugs und wettbewerbsbeschränkender Absprachen. Das Gericht kommt dem nur zum Teil nach: Ex-Familienministerin Sophie Karmasin wird wegen besagter Absprachen schuldig erkannt.

Eine Betrugs-Verurteilung bleibt ihr erspart. Richter Patrick Aulebauer sieht die betrügerischen Handlungen zwar als „zweifellos“ erwiesen und „eindeutig dokumentiert“ an – Karmasin habe „mit voller Absicht und wissentlich“ den Betrug begangen, habe aber „gerade noch rechtzeitig“ eine Kehrtwendung gemacht. Durch vollständige Rückzahlung des Schadensbetrags sei der Ex-Politikerin tätige Reue und damit Straflosigkeit in diesem Punkt zuzubilligen.

Unterm Strich bleibt für die 56-Jährige eine Strafe von 15 Monaten Haft. Diese wird bedingt (auf Bewährung) verhängt. Konkret: Die Ex-Ministerin (Amtszeit: 2013 bis 2017, von der ÖVP nominiert) muss nicht wieder hinter Gitter. Einmal war sie dort ja schon, während ihrer etwa dreiwöchigen U-Haft im März 2022.

Ein in Sachen „Studien“ mitangeklagter Abteilungsleiter des Sportministeriums wird im Zweifel freigesprochen.
Rechtskräftig sind die Sprüche noch nicht. Karmasin erbittet Bedenkzeit. Die WKStA gibt zunächst gar keine Erklärung ab.

Gehalt weiter bezogen

Bis zuletzt kämpfte die Ex-Ministerin am Dienstag um einen Freispruch. Sie hatte monatelang 75 Prozent ihres Gehalts als Ministerin kassiert, insgesamt knapp 80.000 Euro, obgleich sie bereits neue Einkünfte aus Vortragstätigkeiten erschlossen hatte. Ihr war vom Bundeskanzleramt erklärt worden, dass sie in dieser Zeit nichts verdienen durfte.

Zudem, so die Vorwürfe, bekam sie auch Provisionszahlungen, die aus einer Vereinbarung mit ihrer früheren Mitarbeiterin Sabine Beinschab resultierten. Beinschab, ebenfalls Meinungsforscherin, hatte sich selbstständig gemacht, erstellte Studien und Umfragen im Auftrag des Finanzministeriums und wurde später im Rahmen der Inseraten-Affäre (um diese ging es in der Verhandlung noch nicht) zur Kronzeugin. Als solche belastete sie nun Karmasin schwer und goss damit Wasser auf die Mühlen der Anklagebehörde.

Doch warum schloss nun die WKStA aus, dass Karmasin im Hinblick auf die Gehaltsfortzahlungen tätige Reue gezeigt habe? Ganz einfach: Als das Geld im März 2022 zurückbezahlt wurde, sei bereits in den Nachrichten über die Angelegenheit berichtet worden. So gesehen sei die Rückzahlung nicht mehr freiwillig gewesen. Außerdem habe sie in einer ersten Tranche zu wenig Geld zurücküberwiesen, nämlich 62.000 Euro. Daher könne auch von einer vollständigen Wiedergutmachung des Schadens keine Rede sein.

All das ließ das Gericht aber nicht gelten, sodass die Angeklagte in eben diesem Punkt frei ging.

Karmasin selbst sagte in ihrem Schlusswort: „Ich bin kein Opfer. Ich habe Fehler gemacht.“

Die WKStA hatte indes Karmasins Vermögensverhältnisse wiederholt zum Thema gemacht. In der Anklage heißt es: Das Handeln „der wirtschaftlich äußerst gut situierten Erstangeklagten“ sei auf „maximale persönliche Bereicherung zulasten der Allgemeinheit“ gerichtet gewesen.
Zum zweiten Anklagepunkt: Die Ex-Ministerin hatte zwischen 2019 und 2021 vom Sportministerium Zusagen für die Erstellung von Studien erhalten. Aber: Karmasin hatte davor zwei andere Meinungsforscherinnen (darunter Beinschab) angestiftet, Scheinangebote zu legen, damit sie, Karmasin, als Bestbieterin dastehe. Hier erging eben ein Schuldspruch.

„Ich bin zutiefst überzeugt, dass Frau Doktor Karmasin kein strafrechtlicher Vorwurf gemacht werden darf“, hatte Verteidiger Norbert Wess dagegen gehalten. Bei Sport-Studien sei im Ministerium gar kein Wettbewerb organisiert worden. Daher habe Karmasin einen solchen auch nicht beschränken können.

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