Quergeschrieben

Warum das Koch-Handwerk weiterentwickelt gehört

Veganismus und Vegetarismus sind kein Trend mehr. Darauf muss sich auch die Wirtshausküche einlassen und die Kammer eine einschlägige Ausbildung anbieten.

Muss eine Köchin oder ein Koch Fleisch zubereiten können? Bislang war die Antwort eindeutig: Ja. Nun gibt es da zumindest andere Sichtweisen auch. Denn die Grüne Wirtschaft hat in der Fachgruppe Gastronomie der Wirtschaftskammer einen Antrag auf einen neuen Lehrberuf gestellt: „vegan/vegetarische Koch/Köchin“.

Der ist zwar vorerst an einer Formsache gescheitert. Damit die Ausbildung offiziell anerkannt und angeboten werden kann, muss zunächst ein genaues Lehrbild definiert werden. Auch ausgearbeitete Unterrichtsmaterialien müssen vorliegen. Theoretisch ist diese Grundlagenarbeit bis zur nächsten Zusammenkunft der Fachgruppe im November möglich. Doch obwohl bei der Sitzung zuletzt vereinbart wurde, den Lehrberuf zuzulassen, sobald diese Formalitäten erledigt sind – der grüne Kammerfunktionär und Gastronom Joachim Ivany („Erbsenzählerei“) sprach von einem „Etappensieg“ –, regte sich danach sogleich erster Widerstand. Ein ranghoher Kammerreaktionär zweifelte gar an, ob es für eine Spezialisierung auf Fleischloses überhaupt ausreichend Lehrstoff für eine mehrjährige Ausbildung gäbe. Diese Haltung ist an Ignoranz und Fantasielosigkeit kaum zu überbieten und es drängt sich die Frage auf, ob er jemals eines der Restaurants besucht hat, das renommierte „Tian“ oder „Habibi & Hawara“ beispielsweise, die bereits Interesse bekundet hatten, solche Lehrlinge auszubilden. Und ob, wer so argumentiert, noch ganz auf der Höhe der Zeit ist – und geeignet, über die Ausbildung junger Menschen zu befinden.

Dass sich ein Teil der älteren Generationen vieles noch schwer vorstellen kann, ändert nichts an den Fakten.

Veganismus mag nicht der Weisheit letzter Schluss sein, doch es ist längst unangemessen, dabei von einem „Trend“ zu sprechen. Die Zahlen der Statistik Austria belegen seit Jahren einen Rückgang beim Fleischkonsum. Bereits ein knappes Viertel der 15- bis 29-Jährigen ernährt sich vegetarisch oder vegan. Angesichts der gesundheitlichen und ökologischen Schäden, die der übermäßige Konsum von Fleisch und tierischen Produkten anrichtet, ist es gesellschaftlich erstrebenswert, dass raffinierte pflanzliche Gerichte Schule machen und dass sich eine geschmackvolle, schön angerichtete Gemüseküche, die über Tofuschnitzel, Sojasoße und industrielle Ersatzprodukte hinausgeht, etabliert. Angebot und Nachfrage entwickeln sich ohnehin klar in die richtige Richtung. Dass sich ein Teil der älteren Generationen vieles noch schwer vorstellen kann, ändert nichts an den Fakten. Laut der Veganen Gesellschaft gibt es in Österreich bereits annähernd 200 vegetarische und rund 100 vegane Restaurants. Selbst Lehrlinge ausbilden können diese aber bis dato nicht – weil Fleisch zum vorausgesetzten kulinarischen Kanon gehört.

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Niemand wird bestreiten, dass Schnitzel, Tafelspitz und Backhendl hierzulande Teil des kulinarischen Erbes sind. Doch ein verbissenes Beharren auf überholten Standards wird nicht dazu führen, dass junge Menschen, die gerne kochen und eine einschlägige Ausbildung machen würden, sich selbst aber aus Überzeugung fleischlos ernähren, deshalb zu Fleischfressern werden; oder sich in klassischen Wirtshäusern wohlfühlen. Allein schon aus Gründen des latenter werdenden Fachkräftemangels sollte sich hier niemand in seinen Positionen einzementieren; am allerwenigsten Vertreter der Wirtschaftskammer.

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Thomas Weber ist Gründer und Herausgeber von „Biorama“ (Magazin für nachhaltigen Lebensstil) und Buchautor (zuletzt: „100 Punkte Tag für Tag“). Er verantwortet die im Residenz-Verlag erscheinende Buchreihe „Leben auf Sicht“ und lebt im Marchfeld vor Wien. Er schreibt hier im 14-Tage-Rhythmus mit der Journalistin und Autorin Anna Goldenberg.

Noch wichtiger als die Frage, ob jemand, der sich auf tierfreie Kost spezialisiert, aber nie Fleischgerichte kochen gelernt hat, als vollwertiger Koch gelten kann, ist trotzdem, dass es in der herkömmlichen Kochausbildung Änderungen im Lehrplan gibt und mehr Bewusstsein für die kulinarischen Möglichkeiten ohne Butter, Käse und Fleisch. Denn auch wenn Gegenteiliges behauptet wird: Ist nicht gerade Spargelsaison, dann beschränkt sich das vegetarische Angebot auf vielen Karten immer noch auf gebackene Champignons, Beilagen und Salat. Das wird in Zukunft auch Flexitariern zu wenig sein.

E-Mails: debatte@diepresse.com

 


[TIFWG]


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