Gastkommentar

Land der Forschung, zukunftswichtig?

Peter Kufner
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Ein Drittel der Österreicher geht auf mentale Distanz zur Wissenschaft. Beunruhigend. Für uns sollte es vor allem ein Auftrag sein.

Es war 2022 ein gutes Jahr für die Österreichische Akademie der Wissenschaften. Sie blickt auf viele bemerkenswerte Forschungserfolge zurück. Das betrifft die Gensequenzierung während der Pandemie genauso wie die Ausgrabung eines Geschäfts- und Lokalviertels in Ephesos, eine Neuinterpretation der Regierungszeit Maximilians I., die künstliche Herstellung eines seltenen, aber zur Herstellung von Magneten sehr wichtigen Minerals und vieles mehr. Und die ganze Akademie freute sich besonders mit Anton Zeilinger, dem langjährigen Präsidenten der ÖAW, über die Verleihung des Nobelpreises für Physik.

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Spitzenforschung ist in Österreich möglich, wenn die Grundlagenforschung ausreichend dotiert wird und ohne thematische Gängelung die eigenen Forschungsfragen entwickelt werden können. Manche sind anfänglich vielleicht Spinnereien, wie Zeilinger mit Blick auf seine eigene Forschung immer wieder betont. Doch gerade diese zeigt, dass viele Forschungsarbeiten inhaltlich tragfähig sind und langfristig auch ökonomischen Mehrwert schaffen. Das ist kein interessengeleitetes Wunschdenken, sondern empirisches Faktum. Zwischen den Forschungsausgaben (in Prozent des Bruttoinlandsprodukts) der OECD-Staaten und dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf, als Indikator für Wohlstand, gibt es einen signifikanten und positiven Zusammenhang: Je mehr die Staaten für die Forschung ausgegeben, desto reicher werden sie.

Die Skepsis wird größer

2022 wurde die Wissenschaft aber auch mit einem für sie enttäuschenden Faktum konfrontiert: Nicht nur Sympathie kommt ihr entgegen, sondern auch Skepsis bis hin zur Ablehnung. Das ÖAW-Wissenschaftsbarometer zeigt, dass zumindest ein Drittel der Bevölkerung eine mentale Distanz zur Wissenschaft aufweist und lieber anderen Erklärungen vertraut als den wissenschaftlich belegten. Jener Bevölkerungsteil, der sich von Wissenschaft und Forschung entfernt, hat eine gewisse Vorliebe für den sprichwörtlichen starken Mann, ist parteipolitisch eher rechts verortbar oder lehnt Parteien generell ab. Gerade Letzteres muss mit Sorge quittiert werden. Wenn die Repräsentation durch Parteien infrage gestellt wird, die Geringschätzung auch der Wissenschaft gegenüber zu einem allgemeinen kulturellen Habitus wird und sich alle ihre eigenen Wirklichkeiten erzeugen, dann ist die gesellschaftliche Mitte in Gefahr.

Die ÖAW und die anderen wissenschaftlichen Einrichtungen des Landes – ob das die Universitäten sind, die Fachhochschulen oder die außeruniversitären Forschungseinrichtungen – nehmen die Erosion des Vertrauens in die Wissenschaft aber nicht achselzuckend zur Kenntnis mit dem Hinweis: Ist eh nicht so schlimm, das Misstrauen der Politik gegenüber ist noch größer. Sie nehmen den empirischen Befund als Auftrag an. Mehr denn je kommunizieren sie mit der Gesellschaft in vielfältiger Weise als Aufklärer, als Vermittler und als Übersetzer. Wissenschaftliches Wissen stellt ein stabilisierendes und zugleich herausforderndes Element in jeder pluralistischen und liberalen Gesellschaft dar, die nicht durch totalitäre „Heilsbringer“ bestimmt wird.

Österreich auf Spitzenplatz

Die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft – Klimakrise, Digitalisierung, Transformation des Energiesystems, demografischer Wandel, Wettbewerbsfähigkeit und vieles andere mehr – lassen sich nur mithilfe von Forschung lösen. Wird vorgesorgt? Wird die Forschung genug unterstützt? Wird die Kuh, die gemolken wird, genug gefüttert?

Ja und nein. Österreich rangiert mit einer Forschungsquote von aktuell fast 3,3 Prozent am Bruttoinlandsprodukt weltweit gesehen auf einem Spitzenplatz. Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren der Kuh – um im Bild zu bleiben – auch einen sanierten Stall zur Verfügung gestellt. Das Forschungsfinanzierungsgesetz hat sich zu einer langfristigen und wachstumsorientierten Finanzierung der Forschung verpflichtet. Mit der Strategie der Bundesregierung für Forschung, Technologie und Innovation (FTI) sind die übergeordneten Ziele festgelegt und Exzellenz, Wirksamkeit und Spitzenforschung explizit hervorgehoben. Und in den dreijährigen FTI-Pakten werden die konkreten Maßnahmen und Themen festgelegt.

Bitte nicht nachlassen!

Nicht nachlassen, lautet daher die Bitte. Weiterhin strategisch denken, sich nicht verzetteln, nicht weitere neue Stand-alone-Institutionen der Forschung schaffen, lieber kooperieren und das Bestehende ausfinanzieren, insbesondere vor dem Hintergrund einer erschreckend hohen Inflation. Sie gefährdet alle Forschungseinrichtungen des Landes. Diese haben bis dato die gestiegenen Lohn-, Energie- und Mietkosten durch Auflösung von Reserven ohne großes Wehklagen getragen, aber diese sind nun erschöpft. Auch die Wissenschaft und Forschung muss sich notgedrungen in die Reihe der Fordernden einreihen.

Der Autor

Dr. Heinz Faßmann (* 1955) ist Universitätsprofessor für Angewandte Geografie, Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien. Er war 2017 bis 2019 und 2020 bis Ende 2021 Minister für Bildung, Wissenschaft und Forschung für die ÖVP. Er ist seit März 2022 gewählter Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Eine Inflationsabgeltung bei den Forschungsbudgets ist überfällig und der Fonds Zukunft Österreich, ein wichtiger Impulsgeber für eine disruptive Forschung, muss verlängert und finanziell deutlich aufgestockt werden. Österreich fällt zurück, wenn nur an die Gegenwart gedacht wird. Ein Zuschuss nach dem anderen soll für politische Zustimmung sorgen, aus strategischen Überlegungen heraus ist das verständlich. Dabei darf aber nicht auf die grundsätzlichen Zusammenhänge vergessen werden: Nur eine wachsende Wirtschaft, die auf qualifizierten Mitarbeitenden und konkurrenzfähigen Produkten und Dienstleistungen basiert, wird für die Finanzierung unseres sozialen Wohlfahrtsstaates sorgen. Und damit die Produkte und Dienstleistungen konkurrenzfähig sind, brauchen sie Forschung – angewandte Forschung und Grundlagenforschung gleichermaßen.

Nicht vergessen: Kuh füttern!

Zum Wachstumspfad hat sich der Gesetzgeber verpflichtet. Kein Hü und Hott, kein einmal mehr, einmal weniger. Wenn wir Forschung aufbauen und dann wieder abbauen müssen, dann haben wir alle nur Kosten und keine Erträge. Die Kuh, die man melken möchte, muss vorher gefüttert werden.

Akademische Feierstunden enden in der Regel mit den Hymnen Österreichs und Europas. Man erhebt sich von den Plätzen und singt vielleicht auch mit, aus Respekt vor der Republik und ihren Steuerzahlenden. „Land der Hämmer, zukunftsreich“, lautet dabei eine Zeile, Land der Forschung, zukunftswichtig, würde genauso gut passen, vielleicht sogar besser, denn es sind nicht mehr die Hämmer, die für Wertschöpfung sorgen, sondern die Ideen und Erkenntnisse von klugen Köpfen.

Dieser Text basiert auf einem Vortrag von Heinz Faßmann bei der jährlichen Feierlichen Sitzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). In Gegenwart des Bundespräsidenten und des Wissenschaftsministers wird über wesentliche Aktivitäten des vergangenen Jahres berichtet und über forschungspolitische Ereignisse in Österreich reflektiert.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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