Um zu verdeutlichen, wie viel Text auf ORF.at zu lesen ist, ließen die Verleger alle Meldungen eines einzigen Tages als Zeitung drucken. Sie umfasst über 70 Seiten im Großformat.
Mit einem Brief und einer ganz besonderen Zeitung wandte sich der Verlegerverband VÖZ dieser Tage an Regierungsmitglieder, Nationalratsabgeordnete, Bundesratsabgeordnete, Mitglieder des ORF-Stiftungsrats, die Geschäftsführung des ORF und Medienhäuser. In der Zeitung mit dem Titel „news ORF“ wurden alle Artikel, die auf ORF.at am 10. Mai 2023 erschienen sind, gedruckt – von der Übersichtsseite, den Ressorts Aktuell, Science, Sport bis zu den Bundesländerseiten. Die großformatige Printausgabe zählt über 70 Seiten. Bildlastigkeit kann man der Zeitung nicht vorwerfen, einzelne Seiten bestehen überhaupt nur aus Text, Werbung gibt es kaum. „Sieht aus wie eine Ente? Geht wie eine Ente? Es ist eine Ente“, heißt es im Begleitschreiben, unterzeichnet von VÖZ-Präsident Markus Mair, dem Vorstandsvorsitzenden der Styria Media Group, zu der auch die „Presse“ gehört, sowie VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger. „Keine Zeitungsente, sondern eine Zeitung“, stellen sie klar.
Der ORF produziere mit der sogenannten „blauen Seite“ eine der größten elektronischen Tageszeitungen Österreichs, obwohl im ORF-Gesetz festgeschrieben sei, dass die Berichterstattung nicht vertiefend und seine Gesamtaufmachung und -gestaltung nicht mit dem Online-Angebot von Tages- und Wochenzeitungen oder Magazinen vergleichbar sein dürfe, kritisiert der VÖZ.
Auch die reduzierte Variante entspreche einer Zeitung
Mit der Aktion versuchen sie erneut zu zeigen, dass die ORF-Novelle nicht weit genug greift: Zwar sollen künftig maximal 350 Beiträge pro Woche auf ORF.at erscheinen dürfen, wobei 70 Prozent der Seite aus Bewegtbildinhalten bestehen müssen. Mit dieser Regelung gehe die Regierung „in vollkommen unzureichender Form“ auf die Thematik ein, so der VÖZ. Denn in der reduzierten Variante würden ca. 50 Textmeldungen pro Tag auf ORF.at erscheinen, was ungefähr einer durchschnittlichen Zeitungsproduktion entspreche, so Grünberger gegenüber der „Presse“. Zu befürchten sei eine Gesamtausweitung des Onlineangebotes – auch weil der ORF mehr Spielraum im digitalen Raum bekommen soll, außerdem soll er Inhalte ausschließlich für online produzieren dürfen.
Bereits 2009 habe sich der ORF gegenüber der Europäischen Kommission verpflichtet, dass die Berichterstattung nicht zeitungsähnlich sein werde, doch es gebe bis heute „keinen nennenswerten Unterschied zwischen ORF.at und dem Angebot von Tages- oder Wochenzeitungen bzw. Monatszeitschriften oder Magazinen“, bemängelt der VÖZ. Die Verleger fordern, dass die Berichterstattung einem Rundfunkunternehmen entsprechend aus audiovisuellen Beiträgen bestehen solle – wie bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern in Europa.
VÖZ wird 26-seitige Stellungnahme abgeben
Die ORF-Gesetzesnovelle befindet sich bis Donnerstag in Begutachtung. Der VÖZ wird eine Stellungnahme dazu abgeben, die derzeit finalisiert und ungefähr 26 Seiten umfassen wird.
Dass durch stärkere Restriktionen für ORF.at nur Gratis-Angebote von Zeitungen oder Zeitschriften profitieren werden, glaubt Grünberger übrigens nicht: „Perspektivisch wird kein Zeitungsunternehmen auf ein reines Reichweitenmodell setzen können“.
ORF kennt „Blaue Seite"-Zeitung nicht
Im ORF ist die Zeitung offenbar noch nicht angekommen. Man habe bisher keine Kenntnis von ihr sowie dem Begleitbrief und könne daher keine Stellungnahme abgeben, hieß es am Mittwochnachmittag vom Küniglberg.