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"Gollum: The Untold Story" - Ist es saftig? Ist es schmackhaft? Ist es knusprig?

Daedalic
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„Herr der Ringe"-Fans haben das „Gollum"-Spiel von Daedalic mit großer Spannung erwartet. Kann der Titel die Ansprüche der Community erfüllen? Hat sich der Feinschliff der letzten Jahre ausgezahlt?

„Wie lautet dein Name?“, fragt der Zauberer Gandalf die Kreatur Gollum und „Herr der Ringe"-Fans ahnen schon, was jetzt naht. Nicht zum ersten Mal in „Gollum: The Untold Story“ wird die Hauptfigur in einen inneren Disput über die eigene Identität geworfen. Spielerinnen und Spieler bekommen einen Einblick in Gollums Kampf mit sich selbst, der so noch nie dagewesen war.

Die Frage „Sméagol oder Gollum?“ zieht sich durch das gesamte Spiel. Immer wieder steht die Kreatur im Zwiegespräch mit sich selbst und muss versuchen, ihre Alter Egos Sméagol und Gollum zu einem Konsens zu bringen. Seit dem Fund des Rings, für den der Hobbit Sméagol seinen Vetter Déagol ermordete, ist seine Persönlichkeit nämlich gespalten - fast als würden ein „Engelchen und ein Teufelchen" auf seinen Schultern sitzen. Die Spielerin oder der Spieler kann den Ausgang der Dispute beeinflussen, indem sie oder er die entsprechenden Argumente auswählt. Für Gollum so typische Zitate wie etwa, wenn er darüber sinniert, ob Hobbits wohl eine für ihn geeignete Speise sind, kommen dabei nicht zu kurz.

Ring? Hobbits? Wer in Mittelerde nicht bewandert und jetzt ein wenig verloren ist, braucht sich aber nicht zu sorgen. Auch ohne Vorwissen finden man sich in „Gollum: The Untold Story“ gut zurecht. Denn zeitlich ist das Spiel zwischen den Ereignissen aus J.R.R. Tolkiens „Der Hobbit“ und der „Herr der Ringe"-Reihe angesiedelt. Gollum hat „seinen Schatz“, einen der namensgebenden Ringe, an Bilbo Beutlin (den „Hobbit") verloren und trachtet seitdem danach, ihn wiederzuerlangen. Bevor er in „Die Gefährten“ aber versucht, den Ring dessen Neffen Frodo abzuluchsen, könnte sich einiges ereignet haben, das in den Büchern und Filmen keinen Platz gefunden hat. Der Entwickler „Daedalic“ hat die Geschichte adaptiert und ermöglicht Fans ein Wiedersehen mit vielen beliebten Charakteren wie etwa Legolas Vater, den Elbenkönig Thranduil.

Puzzeln, Klettern, Stürzen

Wer sich von „Gollum: The Untold Story“ spektakuläre Kämpfe gegen Orks oder gegen Sauron, das Böse höchstpersönlich, erwartet, wird enttäuscht werden. Gollum ist kein Kämpfer, der Schleich-Stil des Spiels ist somit konsistent mit dem Charakter. Die meiste Zeit gilt es, sich in den Schatten vor Orks zu verstecken oder sie im Fall der Fälle mit einem geschickten Steinwurf an den Kopf auszuschalten. Gleich zu Beginn des Spiels sind diese Fähigkeiten intensiv gefragt, denn Gollum muss sich aus seiner Sklavenschaft in Mordor, dem Reich Saurons, befreien, um seine Suche nach dem Ring fortsetzen zu können.

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Damit Gollums Freiheit überhaupt erst in erreichbare Nähe rückt, gilt es aber zunächst einmal etliche Aufgaben zu erfüllen. Diese reichen von dem recht simplen Einsammeln von Gegenständen, wobei springend und kletternd Parcours absolviert werden müssen, bis hin zu komplizierten Puzzles. Wenn Gollum für seine dunklen Herren etwa magische Vögel züchten und dafür genau die richtige Zusammensetzung an Hitze und Holz treffen muss, um die Brutstelle anzuheizen, können weniger Rätsel-affine Spielerinnen und Spieler durchaus ins Schwitzen kommen. Um die richtige Kombination zu treffen oder alle Hinweise zu finden, kann schon einmal eine gute halbe Stunde vergehen.

Geduld ist in „Gollum: The Untold Story“ generell gefragt. Nicht immer kommt Gollum dem nach, was man ihm befiehlt. Immer wieder kommt es vor, dass die Figur sich auch beim fünften Anlauf nicht an einer Felskante festhalten will und schreiend in die Tiefe stürzt. Besonders ärgerlich ist es etwa, wenn ein Sprung durch schlecht platzierte Objekte in der Spielewelt abgelenkt wird. „Fail-Videos“ von solchen Vorfällen häufen sich bereits im Internet. In manchen Fällen sind die Probleme gar nicht mehr durch Geschicklichkeit oder Geduld zu lösen: In einer Sequenz, in der Gollum einen Begleiter durch ein Areal lotsen muss, kommt dieser den Befehlen der Kreatur einfach nicht nach. Es gibt kein Weiterkommen, der Abschnitt ist verpflichtend für den Spielfortschritt. Damit aber nicht genug: Während des Test-Durchlaufs der „Presse“ ist das Spiel auch einmal komplett abgestürzt.

Was lange währt, wird nicht immer gut

Ob das ohne die Aktivierung einer verschönerten Grafik mittels Ray Tracing auch passiert wäre? Die ersten Berichte aus dem Internet lassen zumindest darauf schließen. In Wahrheit braucht es das Ray Tracing aber nicht, denn Grafik und Game-Design des Spiels wirken leider ohnehin ein wenig aus der Zeit gefallen. Umgebungen wiederholen sich, Felswände wirken unecht und zu glatt und die Charaktere sehen aus, als fehle ihnen der Feinschliff. Nicht selten kommt es vor, dass sich Objekte durch Charaktere hindurchbewegen oder Personen „glitchen“, also verschwinden und wieder auftauchen.

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Alles in allem erinnert die Optik von „Gollum: The Untold Story“ ein wenig an das 2006 erschienene Rollenspiel „Oblivion“ und nicht an ein Spiel, das für die PlayStation 5 designt wurde. Das ist umso ärgerlicher, weil „Daedalic“ die Fans aufgrund von erforderlichen Nachbesserungen immer wieder bezüglich des Releases vertröstet hat. Angekündigt wurde das Spiel erstmals bereits 2019, danach hieß es immer wieder, man wolle sich Zeit nehmen, um die „Vision von J.R.R. Tolkien“ ehren zu können.

Gelungen ist das nicht ganz. Besonders schade ist es um die Geschichte, die durchaus Potenzial gehabt hätte. Einzig die großartige Synchronisation, das Wiedersehen mit alten Bekannten und die vielen „Herr der Ringe"-Zitate sorgen dafür, dass ab und zu Nostalgie aufkommt. Löblich erwähnt werden muss auch, dass es „Daedalic“ gelungen ist, das altbekannte Gefühl der Zwiespalt gegenüber Gollum in die Spielewelt zu übertragen. Wer die Kreatur in ihre Höhle begleitet und seine Andenken an glücklichere Tage findet, wird neben Abscheu wohl auch einen Funken Mitleid spüren. Langweilige Levels, langatmige Nebengeschichten und Bugs machen es aber schwierig, die Spannung darauf zu erhalten, wie es weitergeht. Gollums Jahre ohne den Ring werden somit wohl weiterhin für viele Fans besser nur in der eigenen Vorstellung existieren.

„Gollum: The Untold Story“ gibt es um 59,99 Euro für PS5, PS4, PC und Nintendo Switch zu kaufen.

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