Wohnen plus Arbeiten

Gebäudenutzung: Auf die Mischung kommt es an

DC Waterline
DC WaterlineStrabag/OLN
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Gewerberäume, Büros und Wohneinheiten in einem Immobilienkomplex? Was kurze Wege bringt, stößt in der Praxis auf Hindernisse.

Waren Wohnen und Arbeiten unter einem Dach in der Vergangenheit durchaus üblich, bedarf es heute dazu oft einer kreativen Interpretation der Gesetze. In Gewerbegebieten etwa – so die Vorschrift – sind Wohnungen „nur für den Bedarf der Betriebsleitung und der Betriebsaufsicht zulässig“. Diese Auslegung machten sich die Architekten Neuwirth und Hahn für ihr „Atelierhaus21“ im Wiener Sonnwendviertel zunutze. Das 2021 fertiggestellte Haus beherbergt Gewerbebetriebe, Büros sowie Wohnungen und bietet neue Möglichkeiten, um die Grenzen zwischen Arbeiten und Wohnen aufzuweichen.

Mit der konsequenten Umsetzung dieser Idee ist das Projekt in Favoriten allerdings eine Rarität auf dem Immobilienmarkt. Denn die Hürden für solche gemischten Nutzungen liegen nicht nur in Rechtsfragen. Beispielsweise sind in einer Wohnung „üblicherweise ausgeübte Tätigkeiten“ – so der Gesetzestext – wie von einem Rechtsanwalt oder Arzt bei der Widmung „Wohnraum“ zulässig. In der Praxis kann das aber spätestens im Eigentumswohnhaus zum Problem werden, wenn es keinen eigenen Eingang für die Praxis- oder Büroräume gibt und sich Miteigentümer durch Patienten- bzw. Parteienverkehr im Stiegenhaus gestört fühlen.

Wohnen im Gewerbegebiet?

Eine Lösung, wie sich Wohnen und Arbeiten in einem Immobilienprojekt realisieren lassen, hat Bondi Consult für das Quartier „TwentyOne“ in der Wiener Siemensstraße entwickelt. Dort werden neben mehr als 50.000 Quadratmetern Büro- und Laborräumen rund 500 Serviced Apartments geschaffen. Diese Wohnungen werden in der Regel außerhalb der regulären Betriebszeiten von Gewerbeflächen genutzt, argumentiert Geschäftsführer Anton Bondi de Antoni. Deshalb sind sie auch im Gewerbegebiet zulässig.

Der Immobilienentwickler betont aber, dass für die Apartments trotzdem auf Verkehrsberuhigung innerhalb des Quartiers sowie auf alle Nahversorgungseinrichtungen großer Wert gelegt werde. Zusätzlich gebe es sogar kurzfristige Arbeitsmöglichkeiten in temporär mietbaren Büros. „Es wurde eine einander befruchtende und wechselseitig nicht beeinflussende Lösung gefunden“, lautet das Resümee von Bondi de Antoni über den Mix im „TwentyOne“.

Spezielles Konzept soll Musiker anlocken

„Eine extrem gute Mischung mit wechselseitiger Befruchtung“ nennt auch Erol Milo, verantwortlich für Gewerbeimmobilien bei der Strabag Real Estate, als Asset des Projekts „DC Waterline“. Neben einem Bildungs- und Innovationscampus sowie einem Hotel mit Roof-Bar und Restaurant werden auf dem direkt an der neuen Donau gelegenen Areal bis 2025 mehr als 60 Wohnungen errichtet. Und zwar speziell für Musiker: Ein schallgedämmter Raum pro Wohnung, ein zusätzlicher großer Proberaum im Haus und hoch schallisolierte Proberäume für besonders laute Instrumente sollen diese Zielgruppe anlocken. Es können sich aber auch Nichtmusiker für eine Wohnung anmelden, merkt Milo an.

Ähnliche Konzepte will die Strabag Real Estate in Salzburg und Linz umsetzen. „Waren früher reine Büro-, Hotel- und Wohnimmobilien gewünscht, geht es jetzt stärker in Richtung gemischter Projekte“, erzählt Milo. Hierzu setzt das Unternehmen einen weiteren Schritt in die Zukunft: Gemeinsam mit externen Partnern denkt man darüber nach, wie Immobilien den zu erwartenden gesellschaftlichen Veränderungen in den Bereichen Arbeiten, Wohnen und Freizeit in Zukunft noch besser gerecht werden können. Passieren müsste ergänzend allerdings auch etwas bei den Rahmenbedingungen, meint Milo, wo Flächenwidmung und Bauordnung gemischte Nutzung von Gebäuden oft verhindern oder erschweren.

15-Minuten-Stadt: Raumplanung gibt die Richtung vor

Wobei Stadtplaner heute ohnehin auf Durchmischung setzen, erzählt Daniela Allmeier vom Planungsbüro Raumposition: „Wir streben Quartierzentren mit unterschiedlichen Nutzungen und Funktionen an, wo die Orte für Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Gesundheit und Freizeit innerhalb kürzester Zeit klimafreundlich erreichbar sind.“ Die Vielfalt einer solchen 15-Minuten-Stadt sei nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern bringe mehr Leben in die Quartiere und mache sie resilienter, da der Ausfall einer Funktion über andere ausgeglichen werden kann, erläutert die Stadtplanerin die Vorteile solcher gemischten Nutzungen.

Auf dem Immobilienmarkt sind solche Projekte jedenfalls gefragt, erzählt Karina Schunker, bei EHL Immobilien für den Wohnbereich verantwortlich. „Diese Quartiere werden sehr gut angenommen, da sie im Vergleich zu reinen Wohnvierteln deutlich mehr Lebensqualität bieten.“ Die Begeisterung stoße aber an Grenzen, sobald der private Wohnbereich beeinflusst wird: „Eine Gartenwohnung neben einem öffentlichen Raum mit vielen Passanten ist nicht gefragt“, weiß Schunker. Durchdachte Konzepte sowie cleveres Management von der Entwicklung bis zum Betrieb sind daher, so die Experten übereinstimmend, Voraussetzung für das Funktionieren gemischter Nutzungen – erst dann haben solche Projekte eine Zukunft.

Gemischte Nutzung

Ein Mix von Wohnen und Arbeiten in einer Immobilie war in der Gründerzeit Mitte des 19. Jahrhunderts selbstverständlich. Bezirke wie die Josefstadt in Wien beweisen, dass diese Konzepte heute noch funktionieren. Im vergangenen Jahrhundert wurde jedoch eine Trennung in reine Wohn- bzw. Büro- und Gewerbeviertel angestrebt. Mit dem Resultat, dass tagsüber die Wohnviertel, am Abend und in der Nacht die Arbeitsviertel wie leer gefegt sind und dazwischen lange Wege zurückgelegt werden müssen. Heute wird immer öfter auf neue Formen gemischter Nutzungen gesetzt, eingebettet etwa in das Konzept der 15-Minuten-Stadt.

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