Pädagogik

Studie: Lernleistungen lassen sich immer verbessern

Roland Rudolph
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Chancenfairness an der Schule hängt vor allem von der Qualität des Unterrichts ab. Das zeigen erste Ergebnisse eines Forschungsprojekts, das im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt wurde.

Von den 80 Prozent der sozial benachteiligten Kinder an sogenannten Brennpunktschulen in London schaffen es mittlerweile 90 Prozent an eine Universität oder Fachhochschule. Klingt nach Utopie, gelungen ist dieser „London-Effekt“ aber durch den konsequenten Fokus auf die Unterrichtsqualität und starkes pädagogisches Leadership seitens der Schulleitung, wie erste Ergebnisse des Forschungsprojekts „School Quality and Teacher Education“ zeigen.

Welche konkreten Tools aus diesen „Turnaround-Schulen“ auch in der österreichischen Schulpraxis zu mehr Bildungsgerechtigkeit führen können, stellte Roland Bernhard, Leiter der Studie in Oxford und Professor für Schulentwicklung an der KPH Wien/Krems, gemeinsam mit dem amerikanischen Autor Doug Lemov und Vertreterinnen aus der österreichischen Schulpraxis im Zuge einer Pressekonferenz vor.

Lerne von den Besten: Lehrkräfte brauchen Feedback und sollen erfolgreiche Lehrtechniken weitergeben 

„Radikale Verbesserungen von Lernleistungen sind immer möglich“, betont Bernhard. Die ersten Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen, dass die Lehrkräfte dabei eine zentrale Rolle spielen. Sie übernehmen an den untersuchten Schulen gemeinsam Verantwortung und bilden professionelle Lerngemeinschaften. Dabei stehen ihnen die Klassenzimmer der Kollegen stets offen, über kollegiale Hospitationen können sie sich Ideen und Inspiration für den eigenen Unterricht holen.

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Die Schulleiter sind außerdem weniger mit administrativen Tätigkeiten „eingedeckt“, können sich stärker um die Unterrichtsentwicklung kümmern und dem Team Feedback geben. Und herausragende Lehrkräfte holt man vor den Vorhang. Sie sollen ihr pädagogisches Handwerkszeug – ganz im Sinne von: Lerne von den Besten – an ihre Kollegen weitergeben. Bernhard erzählt außerdem vom Interview mit dem Schulleiter einer Londoner „Turnaround-Schule“ in Westminster, der die starken Verbesserungen an seiner Schule auch auf die Arbeit mit dem Buch von Doug Lemov „Teach Like a Champion“ zurückführt.

Unterrichten wie ein Champion: Lemov entwickelte aus Unterrichtshospitanzen ein Tool-Set für Lehrer

„Es gibt kein Problem in einer Klasse, für das nicht ein Lehrer einer anderen Klasse schon eine Lösung gefunden hat“, ist Lemov überzeugt. Über viele Jahre hat er den Unterricht erfolgreicher Lehrkräfte in den USA dokumentiert und ein Set an 63 Techniken entwickelt, die jeder für seinen Unterricht nutzen kann. Als Beispiel nennt er die „Wartezeit“-Technik, bei der die Lehrkraft den Schülern nach jeder Frage einen Moment gibt nachzudenken, anstatt die erstbeste Antwort abzufangen.

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Das Buch spielt nicht nur an den Londoner Schulen, sondern auch in der Ausbildung angehender Lehrkräfte von Teach for Austria eine zentrale Rolle. „Die Techniken sind einfach. Und sie funktionieren“, bestätigt die Lehrerin und Teach-for-Austria-Absolventin Sophie Bloberger. Schon die Position der Lehrkraft im Raum habe Einfluss auf die Konzentrationsfähigkeit der Schüler, erklärt sie. Um die Techniken immer wieder zu trainieren und zu reflektieren, brauche es aber ein starkes Netzwerk hinter der Lehrperson.

Schulleitungen entlasten für starkes pädagogisches Leadership

Um das Netzwerk zu stärken, ist kompetentes pädagogisches Leadership notwendig, betont Bernhard. „Es ist dringend notwendig, Schulleitungen zu entlasten, administrative Tätigkeiten abzugeben und eine mittlere Management-Ebene einzuführen.“ Wie das funktionieren kann, erklärt Schulleiterin Judith Grafinger. Sie hat an ihrer Schule die zeitlichen Rahmenbedingungen geschaffen, um selbst regelmäßig im Unterricht vorbeizuschauen, Feedback zu geben und Dinge wie kollegiale Hospitationen und Treffen zum Austausch (Lehrerateliers) zu implementieren.

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Auf einen Blick

Sich von diesen Best-Practice-Beispielen inspirieren zu lassen, dazu appelliert auch die Bundesschulsprecherin Flora Schmudermayer: „In erster Linie kommt es auf die Lehrenden und ihren Unterricht an.“ Auf die Frage, ob man jetzt alles auf die Lehrer „abwälzen“ wolle und nicht auch strukturelle Probleme Einfluss auf die Bildungschancen hätten, antwortet Bernhard: „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, heute über Positivbeispiele zu sprechen und neue Tools für eine erfolgreiche Lehre in Umlauf zu bringen.“ Damit wolle man auch das Prestige der Lehrer und des Lehrberufs steigern.Forschungsprojekt zum „London-Effekt“. Im Rahmen des vom österreichischen Wissenschaftsfonds finanzierten Projekts „SQTE“ wurden Führungskräfte in elf Brennpunktschulen in London zu ihren Zugängen zur Schulentwicklung interviewt. Erste Ergebnisse zeigen: Ein konsequenter Fokus auf die Unterrichtsqualität und pädagogisches Engagement der Schulleitung führen zu einer starken Verbesserungen der Lernleistung.

Das Buch „Teach like a Champion“ ist auf deutsch unter dem Titel „Unterrichte wie ein Champion“ erschienen. 

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