Medizin

Süße Gefahr bei der Bauchfelldialyse

Nicht alle Nierenpatienten müssen an die Dialyse, die Bauchfelldialyse geschieht zu Hause. Sie führt jedoch manchmal zu einer lebensgefährlichen Bauchfellentzündung. Von der Med-Uni Wien kommt nun ein neuer Ansatz.

Es ist ein süßer Zusatzstoff, der das Bauchfell bei der Bauchfelldialyse (auch „Peritonealdialyse“) langsam zerstört und außerdem zu einer akuten Entzündung führen kann. „Die verwendeten Spüllösungen enthalten relativ viel Glukose, um dem Körper mittels Osmose (passiver Transport von Wasser über eine durchlässige Membran, Anm.) Wasser zu entziehen“, erklärt Klaus Kratochwill, Leiter des Christian-Doppler-Labors für Molekulare Stressforschung in der Peritonealdialyse der Med-Uni Wien.

Üblicherweise reagieren die Zellen des Bauchfells auf eine derartige Belastung: „Man vermutet, dass der Zucker und dessen Abbauprodukte die Zellen jedoch daran hindern, sogenannte Hitzeschockproteine zu erzeugen, die gegen externen Stress schützen. Interessanterweise passiert das bei den aktuell verwendeten Spüllösungen nicht. Die Natur hat vermutlich nicht damit gerechnet, dass jemand auf die Idee kommt, eine Zuckerlösung in den Bauch einzufüllen“, sagt Kratochwill. Bisherige Ansätze, die Spüllösungen zuckerfrei und biokompatibel zu machen, waren erfolglos, so dass der Forscher einen anderen Ansatz verfolgt: „Man weiß, dass gestresste Zellen viel Glutamin verbrauchen. Daher war die Idee, den Effekt von Glutamin und anderen Aminosäuren zu untersuchen.“

Klarheit durch große Studie

In einer ersten österreichweiten Studie mit 56 Patientinnen und Patienten wurde die Verträglichkeit getestet und bestätigt. Quasi nebenbei sah man, dass es auch tatsächlich seltener zu Bauchfellentzündungen kam. „Alle Peritonitis-Episoden, die in der Studie auftraten, waren ohne das Additiv (den Zusatzstoff Glutamin, Anm.)“, sagt Kratochwill. Das könne natürlich auch Glück gewesen sein, daher müsse man das in einer größeren Studie noch einmal ganz genau untersuchen.

Verschlissenes Bauchfell und Bauchfellentzündungen erschweren weitere Behandlungen und können den Wechsel eines Patienten an die Hämodialyse erfordern, bei der das Blut außerhalb des Körpers gereinigt wird. Die Überwachung der Patienten ist daher entscheidend, um Komplikationen frühzeitig zu erkennen, wobei der Eiweißstoff CA125 als überraschender Biomarker bereits eine Rolle spielt. „Eigentlich ist das ein Krebsmarker. Aber je mehr davon vorhanden ist, desto besser geht es dem Bauchfell“, erklärt Kratochwill. Der Chemiker sucht in den aus dem Bauch ausgelassenen Spüllösungen nach weiteren Biomarkern. Sie sollen helfen, den Zustand des Bauchfells besser zu verstehen.

Menschen sollen profitieren

In Zahlen

Das CD-Labor ist nun in der Auslaufphase. Ob sich die Glutamin-Spüllösungen auch in der Folgestudie bewähren, wird man erst in einigen weiteren Jahren wissen. Die translationale Forschung wird Kratochwill als Professor an der Med-Uni jedenfalls weiterführen – Forschung mit Anwendungscharakter also.

„Um die Ergebnisse dann auch zum Patienten zu bringen, erfordert es mehr als nur zu publizieren, man braucht letztendlich Produkte. Und da muss jemand das Interesse haben, die Entwicklungskosten zu stemmen, auch was die ganze Patentierung und den Studienaufwand dahinter betrifft. Sonst macht man am Ende Kunst für die Kunst und publiziert zwar sehr nett, aber die Patientinnen und Patienten haben nichts davon“, sagt Kratochwill.200.000 Menschen leiden in Österreich an Niereninsuffizienz, die Dunkelziffer dürfte bei 900.000 liegen (Quelle: Österr. Gesellschaft für Nephrologie).

1000 Betroffene sind im
Endstadium und an der Dialyse (10 % Peritoneal- oder Bauchfelldialyse, 90 % Hämodialyse, also „Blutwäsche“ im Krankenhaus).

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